Text: Albert Leichtfried; Fotos: Klaus Kranebitter
Schon vor knapp einem Jahr, mitten im letzten eisigen Winter, fielen mir bei einer ausgedehnten Internet-Surferei einige spektakuläre Bilder von sonnigen Felsen in Sizilien auf.
Wenig später erschien der neue Sizilien-Kletterführer „Di roccia di sole“ und mein Interesse an einer genaueren Betrachtung wurde weiter erhöht. Bereits wenige Tage nach der letzten winterlichen Aktion saßen Vroni, Mira und ich auf der Fähre in Richtung Palermo.
Bei angenehmen Temperaturen, wunderschöner Frühlingslandschaft und perfektem Fels verbrachten wir zwei relaxte Wochen im sonnigen Süden. Eines war mir damals schon klar, das unglaubliche Felspotential im Nordwesten der Insel würde es auf alle Fälle wert sein wiederzukommen.
Es brauchte wenig Überredungskunst um einige meiner Freunde für einen weiteren Trip in den Süden zu motivieren. Unsere Erzählungen von den mächtigen Sinterwänden brachten insgesamt zehn Tiroler im Laufe des Oktobers zu den Wänden rund um San Vito lo Capo.
Waren wir im Frühjahr noch stets alleine beim Klettern unterwegs, trafen wir dieses Mal auch immer wieder auf andere Seilschaften – anscheinend wurde nicht nur bei uns das Interesse geweckt. Ausgerüstet mit einigen hundert Bolts machten wir uns bereits in den ersten Tagen auf die Suche nach Neuland.
Ich hatte mir die Erschließung eines gesamten Sportklettersektors, sowie eine Mehrseillängenroute als Ziel gesetzt. An der bis zu hundert Meter hohen und unglaublich versinterten Wand bei Custonaci, bzw. mit der Nordwand des Monte Monaco waren die Ziele rasch gesteckt. Etwa 500 Meter vom Meer entfernt, westseitig ausgerichtet, direkt neben der bekannten Grotta Mangiapane liegt die fast schon surreal anmutende „Never sleeping wall“.
Man braucht eine ganze Weile an Zeit, um die Eindrücke der mächtigen, mit unglaublichen Sinterfahnen in verschiedensten Farben überzogenen Wand aus perfektem Kalkgestein zu verarbeiten. Bei Sonnenuntergang beginnt die gesamte Wand in orangeroten Tönen zu leuchten und klettert man dann an einer der bis zu 50 Meter langen Sinterrouten, kann die Stimmung nicht mehr beeindruckender sein.
Wir verbrachten viele Stunden an diesem magischen Ort und ließen einige neue Linien entstehen, eine schöner wie die andere. Mit der wunderschönen „Conscious change“ 6b+ drückte Vroni ihre wieder gefundene Liebe zur Kletterei aus und in Paul’s „Silent sleep“ 6a+ bzw. „Long sleep“ 6b+ wird man alles andere als einschlafen. Mir gelingt der 8a-Hattrick „Superman“, einem Doppeldynamo für Sprungfreudige, das 50 Meter lange Ausdauergerät „Evil lurks behind every man’s heart“, sowie „Il patrone nero“ an einem kniffligen schwarzen Sinter.
Bereits im Frühjahr hatte ich es mir nicht nehmen lassen, die 35 Meter lange Sinterspur „Tears of Freedom“ 7a+ zu erschließen. Bei rotem Sonnenuntergangslicht von unten eingerichtet ist sie für mich die schönste 7a+ der Welt.
Auch an den schon zum Großteil erschlossenen Wänden westlich von San Vito, Salinella Camping und an der Scogliera die Salinella, verbringen wir eine gute Zeit. Inspiriert durch Horstl’s gutes Auge für neue Linien, probieren wir gemeinsam eine technisch anspruchsvolle Linie im Toprope. Die Lösung ist bald gefunden, die Route quasi im Vorbeigehen eingebohrt und das Gebiet um eine ästhetische, leicht überhängende 7c+ reicher – „Horstl’s vibes“ sind positive Vibes!
Nach all den Aktionen wurde wieder einmal Rasttag fällig. Meine Motivation war groß und ich wollte als Rasttagsprogramm zwei Seillängen in der Nordwand vom Monte Monaco einrichten. Die zwei Seillängen waren bald geschafft, Rasttag wurde es dann doch kein richtiger.
Ein paar Tage später starteten Paul und ich erneut zur Nordwand. Ein mit Stalaktiten durchsetztes Dach in etwa 120 Metern Wandhöhe faszinierte mich schon bei unserer Ankunft. Mit dem Fernglas konnte ich eine logische Linie zum Dach erspähen. Die Erschließung von unten verlief äußerst spannend, da oberhalb der Dachkante mit dem Fernglas keine Struktur ersichtlich war und diese auch erst bei Erreichen der Dachkante erkennbar wurde. Wie bestellt tauchte genau im richtigen Abstand zur Kante eine Leiste auf. Die Freude war groß, die Linie kletterbar.
Erst in der Dunkelheit, im Schein der Stirnlampe, erreichen wir unser Heim am Campingplatz. Ein paar Tage später durfte ich meine vielleicht schönste Mehrseillängenroute rotpunkt klettern. „La lingua pura“ (7c, 6c obl., 200m) besticht durch perfekte Felsqualität, teilweise an mächtigen Sintern und kompakten Verschneidungen. Wie immer, wenn die Stimmung passt, vergehen die Tage wie im Flug.
Mit einer grandiosen Grillparty in der Grotta Mangiapane, organisiert von unseren lieb gewonnenen sizilianischen Freunden, ging ein wahrlich traumhafter Klettertrip gebührend zu Ende.
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Webtipp: Albert Leichtfried
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