Hansjörg Auer spricht über die Wichtigkeit seiner Solos, die Entwicklung im Profibergsteigen und sein neues Buch...
Hansjörg Auer gehört zu den aktivsten Kletterern, wenn es darum geht, die Entwicklung im Alpinen Klettern zu pushen. Seine Free-Solo-Begehung des „Fisch“ an der Marmolada Südwand im Jahre 2007 ist wohl eine der denkwürdigsten Leistungen im Alpinismus. Jetzt hat Hansjörg auch ein Buch "Südwand" über Vernunft und Leidenschaft im Alpinismus und über die Kunst der natürlichen Linie auf den Markt gebracht. Für uns Grund genug, den sympatischen Ötztaler und nunmehrigen Buchautor zu einem Gespräch zu bitten:
Servus Hansjörg, dein neues Buch heißt Südwand und auf dem Cover sieht man dich bei deinem Fisch Solo, das dich 2007 welberühmt gemacht hat. Wie wichtig war diese Begehung für dich?
„Schreiben" ist mir in den letzten Jahren sehr ans Herz gewachsen. Es hat zwar etwas länger gedauert, da ich jede Zeile selbst schreiben wollte, dafür sind es nun aber sehr ehrliche und persönliche Texte geworden. Das Fisch Free Solo ist nach wie vor mit Abstand meine schwierigste Free Solo Begehung. Im Laufe der Jahre hat sich die Liste natürlich erweitert, aber in Bezug auf Gesamtanspruch, Länge und Art der Kletterei sicher recht hoch anzusiedeln. Im Grunde geht es aber im alpinen Klettersport und auch im Alpinismus für mich nicht darum seine Leistung unbedingt immer toppen zu müssen. Für mich steht jedes Erlebnis, jedes Abenteuer für sich und es braucht keinen Vergleich untereinander. Wenn ich heute zurückdenke an den 29. April 2007, dann fasziniert mich vor allem die Art und Weise wie ich das Free Solo geklettert habe. Mit nur fünf Stunden Vorbereitung am Tag vorher war es ein unglaublich frecher Zugang. Doch wie man einem Projekt begegnet, macht eben oft den Unterschied zu den Generation vorher aus. Wir klettern nur bedingt besser als unsere Vorgänger.
Was faziniert dich am Solo Klettern?
Die Leichtigkeit der Bewegungen, das Allein sein und dass man schnell ohne viel Schnick-Schnack durch eine große Wand klettern kann. Das Gefühl in diesen Momenten alles unter Kontrolle zu haben kommt noch dazu.
Hattest du schon mal bei einem deiner Solos ein brenzliges Erlebnis?
Es gab zwei, drei Momente in meiner Free Solo Karriere wo ich plötzlich in einer falschen Trittsequenz war. Und einmal im Fisch musste ich tatsächlich kurz zurück klettern, da ich für einen Augenblick ein schlechtes Gefühl hatte. Es war kurz vor dem Band in der Wandmitte und ich musste von einem Einfingerloch zu einer guten Leiste. Während meinem „3 Wände, 2 Flüge, 1 Tag Projekt“ im Sommer 2016 war ich bestimmt über meinem Limit während dem letzten Free Solo am Heiligkreuzkofel. Ich war sehr, sehr müde und konnte mich kaum mehr konzentrieren.
Seit 2009 bist du Profi Kletterer, oder Bergsteiger. Wie lebt es sich so als österreichischer Bergprofi und womit verdienst du dein Geld?
Gut. Ich kann auf starke Partner zählen, die mich bereits seit vielen Jahren unterstützen. Aber das Profi-Dasein hat natürlich auch andere Seiten. Ich denke oft darüber nach, dass schon alles irgendwie ein großer Zirkus und manchmal auch ein Kasperltheater ist, vor allem im heutigen Social-Media-Zeitalter. Aber ich bin auch Teil dessen und ich versuche halt mir selbst und meinen Grundsätzen treu zu bleiben. Der wichtigste Grundsatz ist nach wie vor, dass der Berg im Hauptfokus steht, Filmaufnahmen, Fotos – all das kommt erst danach.
In den letzten Jahren warst du ja auch regelmäßig auf Expedition an technisch schwierigen Bergen unterwegs. Wie siehst du die Entwicklung im Profi-Expeditionsbergsteigen?
Es gibt meiner Meinung nach vier Disziplinen. Erstens, das kommerzielle Bergsteigen an präparierten Wegen und Fixseilen, hauptsächlich an den Achttausendern. Zweitens, das klassische Expeditionsbergsteigen mit fixen Hochlagern, wobei die meist kleineren Teams sich alles in Eigenregie erarbeiten mit maximal der Unterstützung von Hochträgern. Drittens, das Alpinstil-Klettern auf Geschwindigkeit, wo man meist auf einfacheren Routen unterwegs ist und was sehr dem reinen Ausdauersport ähnelt, aber wobei plötzlich wirklich schöne Ziele und Enchainments möglich werden. Und viertens, das Alpinstil-Klettern bei dem es darum geht schwierige und neue Routen zu klettern. Jede Disziplin hat seine Berechtigung, wobei die letzten zwei Spielarten hauptsächlich von der Reduktion leben. Gewisse Projekte funktionieren nur, wenn man an Ausrüstung, Proviant und ähnlichem spart. Nur auf diese Weise kommt man zum Ziel. Allerdings wird es dadurch sehr schnell sehr eng, wenn etwas passiert, mit dem man nicht gerechnet hat.
Aber die Zukunft des Alpinismus wird sich nicht im Himalaya abspielen, einige wenige Gebirgsecken dort ausgenommen. Die offenen Projekte im Karakorum sind um ein Vielfaches schwieriger. Das Karakorum ist wild, abgeschieden, schwieriger zu erreichen und wettertechnisch eine größere Herausforderung. In Nepal sind Wlan, Bier, Chips und Coca Cola bereits zu weit verbreitet.
Wie wichtig ist es für einen Profi mit einer verkaufbaren Story, guten Bildern und Filmen nach Hause zu kommen. Oft sind ja auch extra Kamaraleute und Guides dabei, bleibt da noch Zeit fürs echte Abenteuer?
Genau mit diesem Thema hadere ich die ganze Zeit. Ich bin mittlerweile soweit, dass ich in Zukunft grundsätzlich bei meinen Expeditionen mit keinem großen, externen und mehrköpfigen Kamerateam unterwegs sein will.Ich habe in den letzten Jahren einige Erfahrungen gemacht, die mit meinen Grundsätzen nicht mehr vereinbar sind. Klar ist am Berg kein Kameramann dabei, aber dennoch nervt mich dieser Drang nach den technisch besten Aufnahmen im Basecamp. Das pure Abenteuer braucht Platz und das beginnt einmal im Basecamp und schon vorher beim Zustieg. Eine Expedition lebt von der unbeschwerten Zeit, wenn man nicht am Berg ist. Warum sind Simon Anthamatten, mein Bruder Matthias und ich dreimal in die Kunyang Chhish East Südwestwand eingestiegen? Nicht für das Kino und nicht für das Drehbuch. Die einmalige Zeit im Basecamp mit den zwei Köchen war es. Es braucht nicht mehr. Und auch am Nilgiri South oder Gimmigela East mit Alex Blümel war es dasselbe. Ein, zwei Freunde ohne großen Filmauftrag reichen um auch im Falle des Erfolgs nicht ohne Material zurück zu kommen.
Was sind deine nächsten Projekte und welche deiner vielen Berg-Diziplinen möchtest du in Zukunft forcieren?
Gerade bin ich erst aus Nepal zurückgekehrt. Ganz ausgereift sind die Pläne fürs kommende Jahr noch nicht, aber im Spätwinter/Frühjahr geht es eventuell nach Alaska und danach nach Pakistan ins Karakorum. Aber zunächst werde ich daran arbeiten, wieder genug Kletterausdauer und Muskelmasse aufzubauen. Denn beides verliert man nach längeren Aufenthalten in großer Höhe.
In deinem aktuellen Buch geht es über Vernunft und Leidenschaft im Alpinismus und über die Kunst der natürlichen Linie. Was meinst mit der Kunst der Natürlichen Linie?
Heutzutage sind viele Kletterer von der Suche nach den Schwierigkeiten getrieben. Das ist auch legitim und völlig normal bis zu einem bestimmten Alter. Bei mir war es genauso. Ich habe allerdings über die Jahre gelernt, dass es um etwas anderes geht. Zumindest für mich. Es ist nicht mehr so wichtig wo man klettert, was man klettert, sondern mit welchen Partnern man klettert und vor allem wie. Der Berg, das Gelände gibt den Weg vor und wir müssen ihm folgen. Alles andere macht für mich weniger Sinn. Aber es ist eben viel mehr, wie man vielleicht zu Beginn meint. Die Kunst der natürlichen Linie braucht Kreativität, Erfahrung, Einsicht, Purismus und die Freude an der Tätigkeit des Klettern als solches. Alles andere wäre Show. Und bin bestimmt kein Entertainer.
Herzlichen Dank für das Gespräch
Die Frage, ob der traditionelle Alpinismus überlebt oder nicht, hängt weniger davon ab, ob und wie schnell klassische Bergtouren gelingen, als vielmehr von der Fähigkeit der jungen Generation von Bergsteigern, sich und ihre starken Erlebnisse auch auszudrücken. Der Alpinismus ist inzwischen eine globale Erscheinung, es wird auch viel besser geklettert als früher, und jede Disziplin, in die sich das Klettern und Bergsteigen aufgesplittet hat, hat ihre Spezialisten und Tabubrecher. Reinhold Messner im Vorwort von "Südwand"
Buchtipp:
SÜDWAND
Vom Free-Solo-Kletterer zum Profibergsteiger
Am 29. April 2007 bricht Hansjörg Auer allein in die Dolomiten auf. Nur seine Eltern und einBruder wissen, was er an diesem Tag vorhat: die ungesicherte Durchsteigung der Route »Weg durch den Fisch« an der Marmolada-Südwand. Zufällig wird jedoch beobachtet, wie ihm dieser alpinistische Meilenstein gelingt. Und für den zurückhaltenden jungen Kletterer, der auf einem Bauernhof in Tirol mit vier Geschwistern aufgewachsen ist, beginnt damit seine größte Herausforderung: ein Leben im Rampenlicht der Alpinszene. Freimütig schreibt er in seinem Buch über die Sehnsucht, die ihn immer wieder zu solchen extremen Aktionen treibt: zu Free-Solo-Begehungen an den schwierigsten Wänden der Alpen oder zu einzigarten Routen an den höchsten Bergen der Welt. Er spricht über Selbstvertrauen und Glück ebenso wie über Angst und Egoismus; erklärt, was mit einem Menschen passiert, wenn nur noch der eigene Weg für ihn zählt. Wie der Wunsch nach absoluter Kontrolle über den eigenen Körper zum völligen Kontrollverlust führen kann. Und warum Freundschaft nicht nur am Berg, sondern auch weit über das Klettern hin- aus von größter Bedeutung ist. Dabei offenbart sich ein nachdenklicher und sympathischer Spitzenalpinist, der trotz seiner Erfolge auf den Boden der Tatsachen geblieben ist. (ISBN: 978-3-89029-480-3)
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Hansjörg Auer, 1984 geboren, ist ausgebildeter Lehrer für Mathematik und Sport. Er begann 1996 mit dem Sportklettern und ist seit 2009 Profibergsteiger. Ihm gelangen mehrere Erstbegehungen und berühmte Routen, u. a. in den Dolomiten, in Patagonien, im Yosemite Valley, Karakorum und Himalaja. Zudem sorgt er mit seinen Free-Solo-Touren für Aufsehen. Er lebt im Ötztal.
www.hansjoerg-auer.at