Die Stubaier Alpen - bestehend aus Kalkkögel, Serles, Lämpermahdspitze und Kesselspitze - zeichnen sich durch ein Kalkgestein aus, das über viele Jahre durch Erosion beeindruckende Rinne gebildet hat, die mit berühmten Rinnen in den Dolomiten, wie dem Canale Holzer, um nur ein Beispiel zu nennen, ohne weiteres mithalten können. Aber auch im Urgestein kann man sehr schöne Rinnen finden, wie diese Erstbefahrung beweist. So fällt einem schon von der Europabrücke aus gesehen die beeindruckend breite und steile Serles Nordrinne auf. Aber auch die Kesselspitze Nordrinne sticht dem Freerider von bestimmten Plätzen im Stubaital sofort ins Auge, wobei diese schon sehr viel schmäler und exponierter wirkt als die Nordrinne der Serles. Um den 20. Februar machte sich ein Hoch bemerkbar, das mit recht hohen Temperaturen nicht nur bestes Skitourenwetter und schöne Firnverhältnisse bot, sondern zum ersten Mal in diesem Winter die meisten Schwachschichten Nordseitig zerstörte, was eine günstige Lawinensituation zur Folge hatte. Der perfekte Zeitpunkt also, um ein paar steile Rinnen zu fahren.
Die Serles Nordrinne machte den Anfang, als eine Rinne, die ich schon kannte. Ein Klassiker, den man als Innsbrucker immer gern noch einmal fährt. Das Besondere an dieser Rinne ist ihre Breite. Man kann beim Befahren ab und an also durchaus von Genusswedeln sprechen, sofern der Schnee passt. Bei uns war es eher ein pistenähnliches Erlebnis.
Kesselspitze Nordrinne - Nordcouloir
Als Zweites wurde dann die Kesselspitze Nordrinne, auch Kesselspitze Nordcouloir genannt, in Angriff genommen. Schon als ich im Sommer meinen Fuß gebrochen hatte und beim Stöbern nach neuen Touren zum ersten Mal diese Tour entdeckte, konnte ich es nicht erwarten, im Winter diese Rinne anzugehen. Am 28. Februar war es dann so weit und in einer Gruppe von 7 Personen machten wir uns auf den Weg Richtung Kesselspitze. Bei traumhaftem Wetter fuhren zuerst mein Bergfreund Thomas und ich in die Rinne ein und richteten den ersten Standplatz für die anderen ein. Glücklicherweise hatten wir Funkgeräte dabei, denn zu siebt so eine Rinne hinunterzufahren kann in Hinsicht auf Sluff Management ohne Funkgeräte dann doch zu einer größeren Herausforderung werden. Wir hatten pistenartige Bedingungen, welche uns in dieser Rinne - die immerhin drei Abseilstellen aufweist - doch sehr recht waren. Nach der zweiten Abseilstelle kam dann in der Hauptrinne der Klemmblock, der ein kleines Highlight für uns war. Die kleinen Höhlen, die zwischen Klemmblock und Rinne entstanden sind, durch welche man bei wenig Schnee angeblich durchfahren kann, zu erkunden, war sehr interessant und auch die Vorstellung, dass vor vielen tausend Jahren dieser Riesenblock hier herunterstürzte und sich dann abrupt verklemmt haben muss, war sehr spannend. Beim Auto schauten wir auf 1700 Abfahrtsmeter und eine sehr spannende und erlebnisreiche Steilrinnenabfahrt zurück.
Neuland in der Trögler Nordrinne
Als Krönung kam dann die Trögler Nordrinne in frage, die mein Freund Yannik entdeckt hatte und die wir zusammen, als wir einmal auf die Ruderhofspitze gegangen waren, mit einem Fernglas genau begutachtet hatten. Fraglich waren für uns zwei Dinge: Einerseits konnten wir nicht genau erkennen, ob man einmal abseilen muss und zum anderen fragten wir uns, ob denn nicht schon jemand vor uns diese Rinne abgefahren ist. Zweimal mussten wir die Befahrung dann verschieben und bekamen langsam auch ein bisschen Stress, weil sich eine kommende Niederschlagsperiode abzeichnete, nach der wir sicher wieder warten hätten müssen, bis die Verhältnisse gut gewesen wären. Nach etwas Niederschlag in der ersten Märzwoche beschlossen wir nach ausgiebigem Studieren des Lawinenlageberichts und der Wetterstationen, dass es am 7. März einen Versuch wert wäre, zum Einstieg der Rinne zu gehen und je nach Bedingungen die Abfahrt zu wagen. Ein mögliches Problem war der nordseitig prognostizierte Triebschnee, der uns Sorgen machte. Da die Wetterstationen allerdings alle Südwestwind anzeigten und uns beiden der Schnee am Samstag sehr ungebunden vorkam, versuchten wir es also am Sonntag. Eines muss ich an dieser Stelle anmerken: Der Aufstieg auf den Großen Trögler ist durchaus lohnend - man findet zu Unrecht keine Informationen über Skitouren auf diesen Berg. Ich dachte mir sogar, dass - wenn die Rinne zu gefährlich wäre - wir trotzdem eine schöne Abfahrt im Bereich der Aufstiegsspur hätten. Vom Gipfel gingen wir dann schnell zum Einstieg und sahen dort keine Anzeichen für Triebschnee.
Also wagten wir es in die Rinne einzufahren, bewaffnet mit Schlaghaken und Keilen für die (vielleicht) auf uns zukommende Abseilstelle. In der Rinne fanden wir dann unerwartet gute Verhältnisse. An vielen Stellen war der Schnee schon weggeslufft, aber an vielen anderen konnte sich der Sluff festsetzen und wir konnten im hüfttiefen Sluff Schwünge ansetzen. Zwischendurch hatten wir dann allerdings trotzdem die obligatorischen Pistenverhältnisse. Nach dem ersten Drittel entdeckten wir dann, dass wir einmal abseilen müssten. Einerseits war das gut, weil somit die Frage nach der Erstbefahrung geklärt war. Wir sahen nämlich keine Anzeichen von einem alten Abseilstand. Allerdings mussten wir dafür selbst einen Abseilstand bauen. Das stellte zwar keine allzu große Herausforderung dar, ist aber doch immer wieder spannend. Nach dem Setzen der vertrauenerweckenden Schlaghaken seilten wir also ab. Wir hatten leider nur ein 40 Meter Seil dabei, was sich als leichter Nachteil erwies, weil wir eine Stelle etwas unangenehm abklettern mussten. Wir hatten aber Gott sei Dank einen Pickel dabei und konnten nach dieser etwas unangenehmen Stelle dafür die restliche Rinne in all ihrer Herrlichkeit genießen. Beim Auto angekommen konnten wir unser Glück über die guten Abfahrtsverhältnisse und diese gut gelungene Tour kaum fassen.
Wir konnten auf diese erfolgreiche Befahrung und natürlich auch auf die Trilogie am Nachmittag dann noch mit ein paar Freunden am Inn - mit ausreichend Corona Abstand - anstoßen und ihnen erzählen, wie es so war und wann wir denn das nächste unserer Projekte angehen würden…
Text & Fotos: Tobias Rungg; für Tobias Rungg ist es die dritte Steilrinnenbefahrung des heurigen Winters im Stubaital und er hat seine Erlebnisse der "Stubaier Steilrinnen Trilogie" zusammengefasst
Genau Information zu den drei beschrieben Nordrinne:
Infos Serles Nordrinne: Serles Nordrinne
Infos Kesselspitze Nordrinne: Kesselspitze Nordrinne - Nordcouloir
Infos Trögler Nordrinne: Großer Trögler Nordrinne