Ein ziemlich unbekannter, doch das Tal beherrschender Berg mit einer imposanten Gestalt, ragt im westlichen Teil der Osttiroler Schobergruppe empor, der Prijakt.
Ein Doppelgipfel, getrennt von einer markanten Rinne, zieht die Blicke der Bergwanderer seit jeher in seinen Bann. Dennoch ist dieser Berg von Alpinisten noch relativ "verschont" geblieben. Die meistbegangene Route, den Normalweg ausgenommen, ist sicherlich der Westgrat, der einige schöne und feste Kletterstellen aufweist. Auch die Nordrinne ist in den letzten Jahren durch die schneearmen Frühwinter immer beliebter geworden - ein ideales Ziel für Nordwand Neulinge.
Die direktere Linie
Anfang der 2000er konnte Isidor Poppeller im Alleingang das erste Mal eine neue Linie durch die Nordwand des Niederen Prijakts eröffnen, die bis dato noch unwiederholt ist. Einige Male bin ich als Bergführer am Prijakt gewesen und habe die klassischen Linien geklettert und immer wieder fragte ich mich, ob man eine direktere Linie klettern könnte… vielleicht im Sommer. Nach einer kurzen Inspektion im Zuge einer Westgrat-Begehung, kam ich aber schnell von diesem Projekt ab, zu moosig und flechtig erschien mir der Fels, um daran im Sommer Spaß haben zu können. Winterliche Verhältnisse bräuchte es hier. In den letzten drei Jahren bin ich mindestens einmal Richtung Hochschober Hütte gegangen, um mir die Wand anzuschauen, doch immer gab es zu viel lockeres Pulver.
Es kann richtig gut werden
Ganz spontan, letzte Woche, als ich mit Simon Gietl wieder mal am Telefon über dies und das redete, verabredeten wir uns, um etwas gemeinsam in einer Nordwand anzugehen. Egal wo. Vielleicht könnten oben gute Verhältnisse sein, dachte ich mir. Die Chancen errechnete ich mir aber nicht höher als 50:50, denn seit den Sintflut-artigen Regenfällen war keiner von uns mehr richtig am Berg gewesen. Als wir dann losspazierten und die Wand von der Weite sahen, schaute es schon sehr vielversprechend weiß aus, entweder nur loser Pulver oder perfekter reingepackter Schnee.
Beim Zustieg am tragfähigen Schnee wurde uns klar, es kann richtig gut werden und tatsächlich, so war es auch. An die zehn anspruchsvolle Seillängen über Schneeeis, Eis, Schneefelder und Mixedpassagen dauerte es, bis sich das Gelände wirklich zurückneigte, um letztendlich nach mühsamer Spurarbeit um 18 Uhr bei Stirnlampenlicht am Gipfel zu stehen! Ein unerwartetes Abenteuer, in einer großartigen Wand bei Verhältnissen, die wahrscheinlich nicht öfter als alle zehn Jahre zusammenkommen!
Niederer Prijakt, 3056m
SINTFLUT
M6/WI5, R, 500m
Simon Gietl und Vittorio Messini, am 8.11.2018
Text: Vittorio Messini