Sean Villanueva O‘Driscoll in „La Vida es Silbar“ (c) Nicolas Hojac
14 August 2019

Roger Schaeli und Sean Villanueva O’Driscoll gelingt erneut eine erste Eintagesrotpunktbegehung in der Nordwand des Eiger

Roger Schaeli und Sean Villanueva O‘Driscoll gelingt erste Rotpunktbegehung innerhalb eines Tages der schweren Mehrseillängentour „La Vida es Silbar“ in der Nordwand des Eiger, Schweiz.

Am 23. Juli konnten sich der Schweizer Roger Schaeli und der Belgier Sean Villanueva O’Driscoll einen historischen Eintrag in die Kletterbücher sichern. Ihnen gelang die erste Rotpunktbegehung innerhalb eines Tages der schweren, ausgesetzten Mehrseillängenroute „La Vida es Silbar“ in der berühmten Nordwand des Eigers. Die Tour wurde 1999 von Daniel Anker und Stephan Siegrist eingerichtet. 2003 folgte dann der rote Punkt durch Stephan Siegrist und Ueli Steck. 2016 konnte Roger Schaeli dann zusammen mit der Neuseeländerin Mayan Smith-Gobat den erst zweiten Rotpunkt der Klettergeschichte verbuchen. Sie benötigten dazu drei Tage.

Seitdem war es ein großer Traum von Schaeli, die Tour an einem Tag rotpunkt zu begehen. Zunächst schien es illusorisch, doch den Schweizer Profialpinisten ließ seine Vision nicht los. „La Vida es Silbar“ ist eine 900m lange, aus 27 Seillängen bestehende Route mit Schwierigkeiten bis 7c+. Sie verläuft über einen steilen und langen Pfeiler und ist damit eine der anspruchsvollsten, alpinen Routen am Eiger. Sie beginnt am Stollenloch und verläuft über die Rote Fluh zum Tschechenpfeiler. Sie verlangt das gesamte klettertechnische Repertoire von ihren Begehern ab, denn ihr Verlauf führt durch verschiedenartige Klettereien inklusive kleingriffige Reibungsplatten sowie explosive Schlüsselstellen. Durch ihre Ausgesetztheit verlangt sie nicht nur physische, sondern auch mentale Stärke von den Kletterern.

Im Sommer 2019 war es dann soweit. Am 23. Juli machten sich Roger Schaeli und Sean Villanueva O’Driscoll noch im Dunkeln auf, um „La Vida es Silbar“ an einem Tag zu klettern. Die beiden Profikletterer wollten die Tour als Übungskletterei nutzen für eine große Expedition ins Himalaya Gebirge im Herbst. Es stellte sich heraus, dass beide ein unglaublich gutes Team sind. Mit viel Feuer im Bizeps und unglaublich guter Laune kletterten sie die ersten Seillängen rotpunkt. Sie klettern locker und frei, die gute Stimmung der beiden verleiht ihnen fast schon Flügel. Sogar eine kurze mentale Blockade überwinden die beiden dank ihrer unermüdlich guten Laune und einem sagenhaften Teamspirit!

Sean Villanueva O‘Driscoll in „La Vida es Silbar“  (c) Nicolas Hojac
Roger Schaeli in „La Vida es Silbar“  (c) Nicolas Hojac
Roger Schaeli in „La Vida es Silbar“  (c) Nicolas Hojac
Sean Villanueva O‘Driscoll in „La Vida es Silbar“  (c) Nicolas Hojac
Sean Villanueva O‘Driscoll in „La Vida es Silbar“  (c) Nicolas Hojac
Sean Villanueva O‘Driscoll und Roger Schaeli (c) Nicolas Hojac
Topo  „La Vida es Silbar“

Im letzten Licht des Tages stehen Roger Schaeli und Sean Villanueva O’Driscoll dann oben auf dem Tschechenpfeiler. Sie haben als erste Kletterer der Geschichte eine Eintagesrotpunktbegehung der „La Vida es Silbar“ punkten können. Doch damit nicht genug. Die beiden machten sich noch auf zum Gipfel des Eiger, da Sean Villanueva O’Driscoll noch nie dort oben stand. Nach einem Biwak auf der Südseite des Eiger und einem Ständchen auf der legendären Flöte von Sean ging es zurück ins Tal.

Schaeli sagt dazu: „Das war mit Abstand mein bester Freiklettertag am Eiger! Ein großer Traum ist für mich in Erfüllung gegangen. Ich hätte mir keinen besseren Seilpartner wünschen können als Sean. Und seine Flöte natürlich! Vielen Dank an alle, die mich unterstützt haben und mir Geduld und Verständnis entgegengebracht haben. “

Villanueva O’Driscoll fügt noch hinzu: “Als Roger mich angerufen hat, habe ich nur gefragt: Wo und wann? Welch Privileg, meine erste Tour am Eiger mit jemandem zu klettern, der die Wand sein zuhause nennen kann. Auf ihm lastete ein großer Druck, er hat die Tour schon geklettert. Er wusste, dass er es schaffen kann, die Bedingungen waren gut und er hatte einen Kletterpartner. Jetzt musste er sich nur zusammennehmen und das Ding durchziehen. Ich konnte sehen, dass er das Gefühl hatte, nicht viele Chancen wie diese zu haben. Ich hingegen hatte keine großen Erwartungen, ich wollte Roger nur unterstützen und mein Bestes geben. Ich war sehr beeindruckt, wie er sich mental zusammennehmen konnte und alle Seillängen rotpunkt kletterte. Er rief mir die Beta immer mit einer ansteckenden Motivation entgegen, es war als würde er mich fernsteuern. Ich konnte total frei und ohne Fehler klettern dank seiner guten Stimmung und dadurch, dass ich keine großen Erwartungen hatte. Es fühlte sich einfach magisch an. Es ist sicher keine Route, die man nicht ernst nehmen sollte. Es ist eine lange Tour, die schwere Seillängen sind herausfordernd und die „leichteren“ sind hart mit viel losem Gestein und langen Run-Outs. Die Kletterei war ein echtes Abenteuer und es war ein großartiger Tag am Berg!“