Spätestens zu Ostern ist es so weit, zahlreiche Kletterer packen ihr Auto voll und fahren zum Kletterurlaub an den Gardasee - im kleinen Städtchen Arco ist Hauptsaison. Angefangen hat es mit Heinz Mariacher, der vor mehr als 30 Jahren einen Artikel in einer deutschen Kletterzeitschrift veröffentlichte, in dem die Vorzüge – mediterranes Klima, Bohrhakenabsicherung und die Nähe zum Gardasee – angepriesen wurden und seitdem ist der Boom nicht mehr aufzuhalten.
Jahre später - die Kletterer wurden von der Gemeinde Arco als zahlungskräftige Touristen erkannt und die Klettergärten alle vorbildlich hergerichtet - ist vollkommen zu Recht ein Klettermekka entstanden. Flaniert man am Abend durch die Fußgängerzone ist die überdimensionale Dichte an Bergsportgeschäften schon fast erdrückend und an schönen Tagen bilden sich in manchen Klettergärten regelrechte Staus vor einzelnen Routen. Aber was soll's... Dort wo es wirklich gut ist, fährt man eben immer wieder gerne hin!
Anfangs fast unbemerkt hat eine kleine Gruppe rund um Heinz Grill und Florian Kluckner einen neuen Weg bei der Eröffnung von Kletterrouten eingeschlagen, indem sie Routen neu gestalteten und sie "rhythmische Kletterrouten" nannten. Sie begannen neben den schon bestehenden langen Mehrseillängentouren, leichte, aber eben etwas alpinere Anstiege einzurichten. Gesichert wird an diesen Touren sehr oft mit der „Natur“ - Sanduhren, Klemmkeile und nur wenige Haken und Bohrhaken zeichnen diese Kletterei aus. Die Routen wurden mit viel Liebe errichtet, oft wurden kleine, sogar leicht befestigte Wege an den Verbindungsbändern angelegt.
Der alpine Touch blieb bei diesen Routen immer erhalten und so kam es schon vor, dass nicht so versierte Genusskletterer, welche die glatt polierten Klettergärten mit den vielen Bohrhaken gewohnt waren, an ihren Grenzen stießen. Erde auf den Felsen, schon fast komplett durchgescheuerte Sanduhrschlingen (die naturgemäß nicht mehr viel halten) und einige Gemüsepassagen sind eben nicht jedermanns Sache. Oft wurde diskutiert, manchmal auch geschimpft, wenn von der weiter oben kletternden Seilschaft eine kleine Erdlawine herunter kam. Im gesamten sind diese Touren aber mehr als O.K. und man freute sich immer wieder, wenn die Gruppe um Heinz Grill und Florian Kluckner ihre neuen Meisterstücke auf der, sogar in zwei Sprachen gehaltenen, Webseite der Öffentlichkeit präsentierten.
Doch plötzlich, direkt an Ostern 2016 (Hauptsaison), war Schluss - die beliebte Webseite www.klettern-sarcatal.com war offline. Wir vermuteten anfangs Probleme mit den Grundbesitzern. Kurz darauf erschien, vermutlich aufgrund der zahlreichen Anfragen, auf der Webseite ein kurzer Hinweis, dass es „Probleme mit der Sauberkeit“ der Touren gebe und die Erstbegeher keine „sauberen“ Klettertouren garantieren können und sie deshalb die Infoseite geschlossen hätten.
Auf Nachfrage wurde uns dann aber der eigentliche Grund mitgeteilt. Es war ein Zwist – dabei ging es wohl um Auffassungsunterschiede und Neid bzw. wie eine schöne Mehrseillängentour auszusehen hat - entbrannt, der sich immer weiter steigerte und am Schuss sogar in recht ungute Aktionen ausartete (bis hin zum zerkratzten Auto…). Also durchaus verständlich, dass man ab einem gewissen Punkt verärgert ist und als Konsequenz die Webseite schließt.
Doch es kam anders als gedacht. Der alpine Verein SAT-Arco organisierte am 7. Mai wegen der Webseitenschließung eine Art Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Alpinisten. Heinz Grill, Alessandro Gogna, Ivo Rabanser und Diego Mabboni sprachen zu verschiedenen Themen in Zusammenhang mit dem Alpinismus, dem Sarcatal und über der Art der Touren, welche man auf der Kletterwebseite findet. Sowohl die Zuhörer, als auch die Referenten zeigten sehr große Wertschätzung für Heinz Grill und die anderen Erstbegeher sowie für deren geschaffene Klettertouren. Das bewog die Gruppe schlussendlich dazu, die beliebte Kletterwebseite wieder online zu stellen - man kann allen Beteiligten zu diesem Erfolg gratulieren!
Nachsatz: Obwohl sich jetzt alle Liebhaber der langen, leichten und etwas alpineren Mehrseillängenrouten im Sacratal freuen, sei am Ende für Neulinge eines gesagt: Man muss diesen Touren mit dem nötigen Respekt begegnen. Diese Routen sind immer ein kleines und zum Teil auch heikles Abenteuer mit etwas alpinem Flair - und das ist gut so!
Wer sich etwas mehr mit den alpin angehauchten Erstbegehungen beschäftigen will, dem sei diese Erklärungsseite ans Herz gelegt. Unter "Eine Klettertour bildet eine rhythmische Einheit" werden Gedanken zur Absicherung und Linienführung erläutert,mehr... Auch die Videoreihe "Die Kunst der empfindsamen Bewegung beim Klettern" (eines der Videos unten) gibt etwas Einblick in die Denkweise eines der Erstbegeher. Das LiedTocco la Roccia (Ich berühre den Fels) sollte man sich auch anhören und etwas genauer darüber nachdenken.
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