Die fünf nominierten Besteigungen für die 22. Ausgabe des Alpinoscars
Die Jury der 22. Piolets d’Or – neben Jurypräsident George Lowe aus Catherine Destivelle, Karin Steinbach Tarnutzer, Sung-Muk Lim, Erri de Luca und Denis Urubko bestehend – hatte die schwierige Aufgabe, unter den Besteigungen des Jahres 2013 diejenigen auszuwählen, die den heutigen Leistungsstand im Alpinismus am besten repräsentieren.
2013 war ein außergewöhnliches Bergsteigerjahr. War schon die Anzahl der erwähnenswerten Besteigungen höher als sonst, zeigte die Qualität und die Bandbreite der Unternehmungen auf, wie kreativ der Alpinismus ist, und zwar in allen Bergmassiven der Erde, auch an den Gipfeln der »Alten Welt«, auf dem »Spielplatz Europas«. In den Alpen wie an den höchsten Bergen der Welt entwickelt sich ein Alpinismus, der das Gebirge respektiert, den technischen Einsatz beschränkt und sich an hohen ethischen Werten ausrichtet.
Die Wahl gestaltet sich nie einfach, und so ist die herausragende Arbeit der Jury zu betonen, die sich auf vier Besteigungen in großer Höhe im Himalaja und eine in Alaska geeinigt hat, auch um zu unterstreichen, wie lebendig der Alpinismus in anderen Bereichen als dem Höhenbergsteigen ist. Zudem hat die Jury durch eine besondere Erwähnung eine Besteigung herausgehoben, die sich durch ihren Teamgeist auszeichnet, der erst den Erfolg ermöglichte.
Von den 76 Besteigungen, die durch das Technische Komitee der Piolets d’Or erfasst wurden, werden die folgenden sechs vom 26. bis zum 29. März in Chamonix und Courmayeur vorgestellt werden, um auf hohem Niveau praktiziertes Bergsteigen zu feiern:
Piolets d’Or 2014 - Die nominierten Besteigungen
Talung, 7439 m (Nepal)
Zdenek Hrudy und Marek Holocek aus Tschechien gelang die Erstbegehung der Nordwand des Talung, der südlich des Kangchendzönga liegt. Die 2000 Meter hohe Wand wurde zuvor schon mehrfach versucht. Marek Holocek und Zdenek Hrudy überwanden innerhalb von fünf Tagen hohe Schwierigkeiten und erreichten ihr Ziel während eines Schlechtwettereinbruchs. Der Abstieg kostete sie einen weiteren Tag. Bedauerlicherweise kam Zdenek Hrudy im August 2013 am Gasherbrum I (8068 m) ums Leben. Mehr dazu hier
Kunyang Chhish Ost, 7400 m (Pakistan)
Das Massiv des Kunyang Chhish wies noch einen unbestiegenen Gipfel auf, der viel umworben war. Simon Anthamatten (Schweiz) sowie Hansjörg und Matthias Auer (Österreich) setzten sich die Südwestwand zum Ziel. Nachdem sie zwei Versuche wegen Schlechtwetter abbrechen mussten, gelang den drei Bergsteigern innerhalb von sechs Tagen die Erstbegehung der 2700 Meter hohen Wand, wobei sie zwei Tage davon auf 6800 Meter Höhe im Sturm festsaßen. Der spektakuläre Gipfelgrat des Kunyang Chhish Ost ist von Wechten in barocken Formen gesäumt. Mehr dazu hier
K6 West, 7040 m (Pakistan)
Auch der Westgipfel des K6 gehörte zu den Herausforderungen, die schon oft erfolglos versucht wurden. Die Kanadier Raphael Slawinski und Ian Welsted mussten zunächst ein gefährliches Eis- und Spaltenchaos überwinden, um den Fuß der 2700 Meter hohen Nordwestwand zu erreichen. Mitten durch die komplexe Wand fanden sie eine ausreichend sichere Linie. Nach fünf Tagen erreichten sie am 29. Juli 2013 den Gipfel, nach einer auch in ästhetischer Hinsicht bemerkenswerten Besteigung. Mehr dazu hier
Annapurna, 8091 m (Nepal)
Die Südwand der Annapurna ist ein Brennpunkt des Himalaja-Bergsteigens auf höchstem Niveau. Schon sehr früh wurde dort der Alpinstil angewandt. 1992 eröffneten Pierre Béghin und Jean-Christophe Lafaille eine neue Linie rechts von der Engländerroute, auf der sie eine Höhe von rund 7300 Metern erreichten. Beim Abseilen stürzte Pierre Béghin ab; Jean-Christophe Lafaille überstand einen schrecklichen Abstieg, währenddessen er von Steinschlag verletzt wurde. Der Schweizer Ueli Steck vollendete diese legendäre Route in einem verblüffenden Alleingang: Am 8. und 9. Oktober 2013 benötigte er 28 Stunden für den Auf- und Abstieg. Um die guten Eisverhältnisse zu nützen, kletterte er in der Nacht. Mehr dazu hier
Mount Laurens, 3052 m (Alaska)
Der abgelegene Gipfel des Mount Laurens liegt am Lacuna-Gletscher, südlich des Mount Foraker (Menlale) – ein Eisriese, dessen Nordostpfeiler 1400 Meter in die Höhe strebt. Mark Allen (USA) und Graham Zimmerman (Neuseeland/USA) brauchten allein zwei Tage, um den Wandfuß ihres Ziels zu erreichen. Anschließend gelang ihnen, nach zwei Versuchen, die erste Begehung des Nordostpfeilers und damit die zweite Besteigung des Berges. Sie benötigten 67 Stunden für Auf- und Abstieg, Letzterer erfolgte in acht Stunden über die Ostwand. Mehr dazu hier
Besondere Erwähnung - Annapurna, 8091 m (Nepal)
Stéphane Benoist und Yannick Graziani verließen am 16. Oktober 2013 ihr Basislager, um in die Annapurna-Südwand einzusteigen. Sie folgten mit abweichenden Varianten der Route von Ueli Steck und erreichten den Gipfel am 24. Oktober. Der Abstieg gestaltete sich schwierig, Stéphane Benoist erkrankte an einer Lungenentzündung. Die Jury der Piolets d’Or 2014 erwähnt diese abenteuerliche Besteigung in erster Linie aufgrund des Teamgeists innerhalb der Seilschaft, von dem diese Unternehmung angetrieben wurde.