Nach einer dramatischen Erfahrung eines Lawinenabgangs auf unserer letzten Expedition zur Shishapangma Südwand, waren Luka und ich bereit für eine Pause an den großen Bergen aber gleichfalls wuchs die Begeisterung fürs Felsklettern. Mit einer neuen Aufgabe, einer Erstbegehung in den heimatlichen Bergen, würde sich das Erlebte besser verarbeiten lassen.
Berchtesgaden in Bayern ist seit über die Hälfte meines Lebens meine Heimat. Ich kenne die Berge gut genug, um immer eine Idee für eine neue Route zu haben während Luka zwar neu bei uns ist aber gleichfalls immer offen für Abenteuer mit mässigen alpinen Gefahren.
Zurück zu hause hatten wir genau das gefunden, wonach wir gesucht hatten. Die Alpltalkopf Nordwand am Hohen Göll bietet steile, ausgesetzte, alpine Felskletterei an bestem Kalk, und endet mit einer großartigen Headwall. Sie ist abgelegen genug, um fast immer alleine zu sein.
Als ‚warm up‘ reisten wir zunächst in die Julischen Alpen in Slowenien, um unsere Fähigkeiten erneut in ein paar seriös abgesicherte Routen zu testen. Der Einsatz von Hammer und Normalhaken ist hier obligatorisch.
Bald waren wir bereit für unser neues Ziel am Alpltalkopf hoch über dem Königssee, einem der schönsten Bergseen.
Vom Einstieg an war es unser großes Anliegen, so weit als möglich mobile Sicherungen (Camalot´s, Klemmkeile und Normalhaken) zum Einsatz zu bringen, und nur falls nötig Bohrhaken zu setzen.
Ende August war unsere Route nach 4-tägiger Arbeit erstbegangen. Kurz darauf folgte Luka´s freie Begehung. Es war so großartig zu wissen, daß es möglich ist. Aber irgendwie hatte ich selber große Mühe, das Puzzle in der 8. Seillänge zu einem Ganzen zusammenzufügen. Es stellten sich Zweifel ein, ob ich jemals den freien Durchstieg meistern würde. Luka stand jedoch voll hinter mir, und glaubte geduldig an meine Fähigkeiten. Das bedeutete mir eine Menge und gab mir das entsprechende Selbstbewusstsein.
Nach einer Schlechtwetterphase kamen wir am 17. Oktober zurück und ich fühlte mich erstmals bereit. Die Route war trocken, doch die Temperaturen schon eisig kalt. In der ersten Seillänge spürte ich meine Finger und Zehen kaum. Ich war kurz davor, abzubrechen. Doch ich kletterte weiter. Je höher wir kamen, je mehr wusste ich das ich meine letzte Chance vor dem Wintereinbruch nutzen wollte.
Seillänge 8 wurde zum Schlüsselerlebnis. Jetzt völlig überzeugt, ging ich die Schlüsselpassage an. Fehlerfrei und hochkonzentriert gelang mir diese bis zum Stand, und unser Freudenschrei wurde durch ein Echo erwidert. Es war geschafft. Ich war so erleichtert, denn aufgeben ist nicht meine große Stärke.
Das Feuer fürs Bergsteigen war in uns erneut entfacht und der Name unserer neuen Route wurde offiziell.
Kommentar von Luka Lindič (www.lukalindic.com)
Vor zwei Jahren hatte mich die Liebe nach Berchtesgaden gebracht. Sofort war mir aufgefallen, wie groß der Stolz der einheimischen Kletterer auf Ihre Heimat ist. Wahrlich ein magischer Ort, der voller formschöner Berge und glasklarer Seen zahlreiche Klettermöglichkeiten bietet.
In meinen Anfängen hier hatte ich bemerkt, daß meine neue Beziehung zu Ines zum Inhalt vieler Gespräche wurde und manchmal auch scharfe Zähne gezeigt wurden. Humorvoll nannte ich Jene die „Haifische vom Königssee“. Aus den Haifischen wurden bald Freunde. Doch schon damals wusste ich den Routennamen für eine Linie, die wir eines Tages erstbegehen würden.
Heute steht der Name in lustiger Erinnerung für unseren Anfang, denn ich bin grundsätzlich sehr dankbar, das ich an diesem wunderbaren Ort mit offenen Herzen aufgenommen wurde. Ich freue mich auf jeden weiteren Klettertag mit den Einheimischen.
Fakten:
Sharks of Königssee (6b+, 4, 7b, 7c, 6b+, 7b, 5+, 8a, 7a+)
- nördlicher Alpltalkopf Nordwand
- Berchtesgaden / Germany
- 280 m / 9 Seillängen
- 19 Bohrhaken wurden in der gesamten Route als Zwischensicherung verendet
- Erstbegehung und erste freie Begehung: August – Oct. 2018
Text: Ines Papert
Webtipp: Ines Papert und Luca Lindič