In "Herr der Ringe" verschanzt sich der finstere Fürst Sauron in seinem Königreich Mordor (Bild oben), was in der Sprache von Mittelerde "Land der Schatten" bedeutet. Klar, dass sich dort sogar in warmen Wintern Eisfälle bilden.
Im Anlauftal nahe Gastein thront Mordor (Bild rechts) mit seinen 300m als "einer der großartigsten und imposantesten Eisfälle Österreichs" - Zitat Hans Zlöbl in seinem "Eiskalt - Wasserfallklettern im Salzburger Land", und der muss es wohl wissen. Zlöbl weiter: "Obwohl der 5. Eisgrad nicht überschritten wird, sollte die Route nicht unterschätzt werden." Edi Koblmüller und Gefährten haben ihn 1986 erstmals bezwungen.
Wie Frodo und Sam im Elfenwald
Frühmorgens um 7h suchen wir uns im Halbdunkel den Weg durch die Bäume des Talkessels und kommen uns vor wie Frodo und Sam im Elfenwald (Bild rechts). Eine gute Stunde dauert es, bis wir uns beim Anbruch des Tageslichts dem Eis nähern (Bild rechts unten). Vorteil: Wir sind zum Glück die ersten, denn mehr als eine Partie tut im Mordor nicht gut. Zu zielsicher sammelt der Eiskessel alles was von oben an Eisbrocken kommt in seinem Zentrum und bombardiert die unten Stehenden. Wie man später noch sehen wird...
Rucksackdepot etwa 50 m vom Fall entfernt, dann krabbeln wir über den ersten Eisaufschwung (Bild unten) - noch seilfrei, weil man höchstens ein paar Meter in den weichen Schnee fallen könnte, bevor man den eigentlichen Einsteig erreicht.
Bombardement von Helms Deep
Die erste Seillänge (WI3+) ist schon ganz nett zum Aufwärmen, und die zweite führt uns direkt unter den Hauptaufschwung. Im Zick-Zack suche ich eine sinnvolle Linie im WI5-Gelände: Gutes Eis, aber möglichst seitlich weg vom Stand, um die Eisbrocken nicht auf meinen Seilpartner zu schicken. Da ich ganz unten einmal Felskontakt mit meinem linken Gerät hatte, schneidet dieses kaum mehr, sondern sprengt aus dem kalten Glaseis (Bild unten) tellergroße Brocken, so dass man in direkter Falllinie bombardiert wird wie die Orks in Helms Deep.
Nebenan im "Supervisor" (WI6) hackt sich eine Augsburger Seilschaft auf dünnerem und noch steilerem Eis nach oben (Bild rechts). Schön zu wissen, dass man nicht alleine ist.
Nach etwa 3:30 Stunden haben wir den mittleren Steilaufschwung unter uns, und die Sache sieht nach oben raus schon sanfter aus als nach unten.
Nun wird auch das Eis etwas softer, der Fall legt sich bald zurück und ein fröhliches Bächlein rinnt mir über die Eisgeräte. Nach 6 Stunden Kletterzeit erreichen wir das Ausstiegsschneefeld, in dem ich mich im gefrorenen Gras hookend noch etwa 50m nach oben kämpfe, bevor ich in einer kleinen gemütlichen Felshöhle den letzten Stand baue. Gregor hat von meinem Eisschlag eine Scharte auf der Nase abbekommen (Bild rechts); so ist gesichert, dass er während der nächsten Tage einige Male erzählen darf, was er letztes Wochenende so getrieben hat.
Hüfthoher Schnee wie im Nebelgebirge
Durch hüfthohen Schnee kämpfen wir uns dann - gleich den Gefährten am Rothornpass im Nebelgebirge - über den Höhkarsteig wieder nach unten. Bei erhöhter Lawinengefahr gut vorstellbar, dass da einige Tonnen Schnee spontan in den Mordor hinunter schießen - daher sollte man die Lawinenberichte stets gut studieren. Über eine Abseilstelle und eine ausgesetzte stahlseilversicherte Traverse geht es hinab auf sicheren Boden. Zum Glück müssen wir nicht durch die Minen von Moria!
Zuletzt schießt man die steif gefrorenen Seile auf und verstaut am Rucksackdepot Steigeisen und Eisgeräte, um erneut durch den Elfenwald zum Auto zurückzukommen. Es dämmert schon, und man ist froh über die wieder gewonnene Zivilisation.
Topo von Mordor als PDF