Schon im frühen Alter von 6 Jahren ging er mit seinen Eltern viel Wandern, mit 12 Jahren fuhr Michael mit seinem Vater nach Konstein, um die ersten Kletterversuche zu machen. Ein Jahr später bestiegen die beiden den Piz Palü –„Bellevista“ (an einem Tag) und den Biancograt auf den Piz Bernina und hörten erstmals auch die Namen Wolfgang Güllich, Kurt Albert und Sepp Gschwendtner. Michael fragte sich, Klettern als Beruf, geht das überhaupt? Anscheinend könnte es funktionieren. Mit 14 stand sein Entschluss fest, er hängte die Schule an den Nagel und erklärte seinen Eltern, dass er keine Ausbildung machen werde, sondern sich als Profikletterer versuchen möchte. „Diese waren natürlich nicht begeistert, aber sie gaben mir das „OK“ für ein Jahr. Sollte ich in diesem Jahr kein eigenes Geld verdienen, würde ich eine Ausbildung beginnen müssen."
Michael fuhr tagelang nach Konstein, zeichnete dort den Fels ab, brachte einen Topoführer für dieses Gebiet heraus und verdiente so mit dem Klettern sein erstes Geld. Es reichte zwar nicht zum Leben, aber seine Eltern unterstützten ihn weiter. Gleichzeitig forcierte Michael das Klettertraining, wurde rasch besser und bereiste viele Klettergebiete in Europa und natürlich das damalige Freiklettermekka Amerika. Er kam in die Presse, fand Sponsoren und sein Lebensunterhalt war gesichert. Michael kletterte den 10ten Grad, brachte mehrere Topo-Kletterführer über die Klettergebiete in Cortina und Trieste (mit Slowenien), die Kletterzeitschrift „Onsight“ heraus und gründete nebenher die Bekleidungsfirma CIAN. „Ich unternahm damals sogar einen Erstbegehungsversuch an der Eiger-Nordwand. Es wäre mit Sicherheit eine Route im 10. Schwierigkeitsgrad geworden, wenn nicht das Wetter umgeschlagen hätte.“
Der große Knall
Mit 18 wurde bei Michael Colitis ulcerosa, eine chronische, d.h. langdauernde/lebensbegleitende, und meist in Schüben verlaufende Erkrankung des Dickdarms diagnostiziert. Michael hatte die Krankheit bis 2003 im Griff, dann verschlechterte sich sein Zustand. „Ich konnte nicht mehr Klettern, eine schlimme Zeit sollte beginnen. Die Ärzte erhöhten meine Kortison-Dosis auf 100mg pro Tag um eine Linderung zu erzielten. Tatsächlich wurde es besser, doch das Klettern konnte ich vergessen. Das Leben wurde für mich nicht mehr lebenswert. Ich vernachlässigte alles, hatte keine Lust mehr überhaupt was zu machen. Das wirkte sich natürlich auf meine gegründeten Firmen aus.“
2005 kam es zu einem „Darmdurchbruch mit absoluter Blutvergiftung“, Michael lag im Koma, wurde künstlich beatmet, bekam auch eine Lungenentzündung und wog bedingt durch Wasserablagerungen statt 63 fast 100 kg. Nach 16 Tagen erwachte er aus dem Koma, wurde noch weitere 20 Tage beatmet. Nach vier Wochen war er außer Lebensgefahr und nach 10 Wochen durfte er erstmals das Bett verlassen. „Ich war ehrgeizig und wollte unbedingt auf die Silvesterfeier in die Cafeteria“
Der Weg zurück
Michael erkannte rasch, dass es noch ein sehr langer Weg sein wird, bis er seine ersten Gehversuche machen konnte. „Ich erinnerte mich daran zurück, als meine Profikarriere als Kletterer begann und als nur der „Eiserne Wille“ zählte. So kämpfte er sich Stück für Stück nach vorne. Seine Krankengymnasten nannten ihn nur noch eine „Kämpfersau“. Es sollte aber weitere 10 Jahre dauern, bis Michael dem das Versorgungsamt eine 90% Schwerbehinderung attestierte, das erste Mal wieder einen Felsen berührte. Auf einer Wanderung auf den Berg Lusen im Bayrischen Wald sah er am Parkplatz eine künstliche Kletterwand. Seine Freundin sagte: „Versuche es doch mal…, komm auf!“ Erstmals seit 2003 hielt sich Michael wieder an einem Griff fest. Es hatte Spaß gemacht und Michael spielte mit dem Gedanken, nochmals mit dem Klettern anzufangen. Nach etlichen Absprachen mit seinen Ärzten bekam er das Okay, aber nur unter der Voraussetzung, starke Überhänge zu meiden und eine Bandage zu tragen. „Ich machte mich auf die Suche nach einer geeigneten Bandage für meinen Bauch. Aber auch das Stoma musste geschützt werden, da ja genau über dieses der Klettergurt läuft. Schließlich fand ich eine Firma, welche genau solche Bandagen herstellt. Nun stand einem Neustart meiner Kletterkarriere nichts mehr im Wege.“
Michael verbrachte seinen Urlaub in den Dolomiten und überredete genau dort, wo er damals seinen ersten Haken geschlagen hatte, auch seine Freundin, das Klettern zu versuchen. Er selbst wurde durch konsequentes Training rasch besser und er dachte, warum nicht Profikletterer mit Handicap werden. „Und so ging ich, wie schon am Anfang meiner Kletterkarriere, auf Sponsorensuche. Viele meiner alten Sponsoren fanden es so Klasse, dass sie mir prompt wieder eine Unterstützung zusagten. Mein Weg stand also wieder auf Erfolg.“
Zweite Profikarriere
2014 hörte er, dass es Kletterwettkämpfe für Kletterer mit Handicap geben soll. Doch sein Kletterkönnen war noch nicht gut genug und Michael steigerte das Training auf 4-5 Einheiten pro Woche. Auch das Klettern und Trainieren mit Zusatzgewicht stand wieder auf dem Programm. Ein Jahr später bestritt er, nach fast 15 Jahren Wettkampfpause, seinen ersten Wettkampf in Imst und landete auf dem 5. Platz. Nicht schlecht für den Anfang. Im nächsten Jahr stand die Weltmeisterschaft in Paris auf dem Programm. „Ich tüftelte mir einen Trainingsplan zusammen. Auch vonseiten des DAV bekamen wir Paraclimber einen Nationaltrainer zur Seite gestellt, als eine Nationalmannschaft für Kletterer mit Handicap gegründet wurde.“ Michael war gut vorbereitet und belegte in Paris den sehr guten 5. Platz.
Er verschärfte das Training weiter auf 5-6 Trainingseinheiten pro Woche und besorgte sich eine 25 kg schwere Bleiweste. Die ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten und Michael belegte durch seine konstant gute Leistung 2017 den 2. Platz im Gesamtweltcup.
2018 und 2019 waren für Michael Jahre mit Höhen und Tiefen, mit Leid und Freude, mit Motivation aber auch mit Motivationsproblemen. Trotz allem vereinbarte er 2019 mit dem DAV Kletterzentrum Augsburg, eine Klettergruppe für Leute mit Handicap zu gründen, die alle 2 Wochen stattfinden sollte, gab die Leitung der Gruppe aber ab, um sich nochmals auf die Wettkämpfe zu konzentrieren.
Steckbrief Michael Füchsle
geb. 28.12.1966
Wohnort Bobingen
Alter: 53 Jahre
Beruf: Profikletterer und Klettertrainer
Erfolge:
Alpin:
Piz Bernina Bianco Grat
Piz Palü Überschreitung an einem Tag in 18 Stunden in meinem 13. Lebensjahr
Felsenklettern (Auswahl – Erstbegehungen):
„Sogni all Ombra“ (10)
„Winterzeit“ (10)
„5th Avenue“ (9+)
„Die Eingebung“ (9-)
„Brutalus Delictus“ (9 –)
„Fingerhut“ (9+)
Und mehrere Wiederholungen von Routen bis zum 10. Schwierigkeitsgrad
Wettkämpfe:
2. Platz im Gesamtweltcup 2017