Nachdem die irre Granitkletterei Korsikas und der kroatische Kalktraum Paklenica schon erkundet waren, wollten wir dieses Jahr eine weitere Destination für uns entdecken: Die Mallos de Riglos in Spanien. Senkrechte bis stark überhängende Konglomerattürme bis 300m Höhe, darunter ein 100 Seelen Dörfchen und die ständig kreisenden Gänsegeier darüber – hat schon was das Ganze, sieht man nicht alle Tage und Grund genug hier beworben zu werden.
Die Kletterei Die Mallos de Riglos wurden schon von einigen bekannten Gesichtern beklettert, Alex Huber kletterte die „Roberto Abada de Murciana“ (6c) auf den „Mallo Pisón“ free solo, Leo Houlding spulte hier Trainingsmeter für sein „Asgard Project“ und der spanische Klettersportverein FEDME veranstaltet jedes Jahr eine 12 Stunden Kletterrally bei denen die spanischen Locals bis zu 6 Mal(!) hintereinander die steilen Wände hinaufspurten.
Auch wir konnten in einem Kurztrip einige schöne Touren testen, wenngleich die Leistungen der Spitzenleute ganz schwer nachvollziehbar sind.
In teils extremer Ausgesetztheit klettert man eine steile Seillänge nach der anderen und in manchen Touren werden die sehr überhängenden Seillängen nur durch weniger überhängende Seillängen unterbrochen. Dass das auf die Kraftausdauer geht, mag nicht verwundern, vielmehr schon der Blick in den Kletterführer: Unglaublich, dass sich in diesen Wänden Touren in relativ moderatem Schwierigkeitsgrad wiederfinden! Im 6ten Franzosengrad ist man eigentlich schon dabei und kann sich mit entsprechendem Schmalz in den Ästen viele der Routen hochkämpfen. Um wirklich Spaß zu haben, sollte das Rotpunktniveau aber doch etwas höher liegen, sonst kann dem Aspiranten bei den teilweise bis zu 60m langen Seillängen vielleicht die Puste ausgehen. Das betrifft auch den Nachsteiger, der wegen des wirklich ordentlichen Überhängens mancher Touren, im Fall des Falle(n)s, eventuell den Wandkontakt verliert. Dann ist wohl ein Griff in die Technikkiste notwendig: Jümar und Trittschlingen sollten also vielleicht mit ins Handgepäck….
Wirklich so schlimm? Nein, natürlich nicht. Es gibt auch genügend Touren in flacherem Gelände und klassische Wege die typische Verschneidungen und Kamine nutzen. Dominierend ist allerdings steile, athletische Wand- und Überhangkletterei:
Wie Kartoffeln stehen die abgerundeten mehr oder weniger großen Kieselsteine aus der Wand heraus – der Vergleich mit typischen Kunstwänden kommt auf und hinkt auch nicht: Auf weißen, von weitem schon gut sichtbaren Magnesiumbahnen klettert man mit viel Übersicht die Aufleger- und Henkelpartie hoch, unterbrochen nur von teilweise richtig ungemütlichen Hängeständen und dem Geschrei der– je nach zurückgelegten Klettermetern - über oder unter einem kreisenden Geier. Diese sind auch verantwortlich für die weißen Flecken in den Wänden: einst Nester und Fäkalstätten der bis zu 2m Spannweite messenden Vögel, halten sie heute vereinzelt als (etwas grausliche) Standplätze her (z.B. in der „Zulu Demente“ auf die „Visera“).
Fels: Der erste genauere Blick auf das rötliche und graue Konglomeratgestein erweckt zunächst nicht gleich das große Vertrauen in die Festigkeit desselben: Gewohnte Homogenität eines typischen kletterbaren Felsens sucht man hier vergebens. Eigentlich sieht das Ganze vielmehr aus wie ein riesiger Steinhaufen. Beim ersten haptischen Kontakt stellt man aber verwundert fest: Das hält schon alles zusammen! Es liegt auch kaum Ausbruch bei den Einstiegen, Schotterfelder wie in den Dolomiten sucht man ebenso vergebens. Und da manche Routen schon weit über 30 Lenze zählen (und auch dementsprechend abgeschmiert sind) kann man getrost davon ausgehen, dass sie die nächsten paar Begehungen auch noch überstehen werden. Dennoch: Helm schadet wie in jeder anderen Mehrseillängentour keinesfalls, da auf den wenigen Bändern und Absätzen immer etwas loser Kiesel herumliegt.
Absicherung: Die Absicherung ist durchwegs gut, vereinzelt finden sich zwar noch Relikte aus Erstbegehungstagen oder früheren Sanierungsversuchen wieder, aber für den ersten Besuch in Riglos kann man Friends und Keile getrost zu Hause lassen: Alpines Feeling kommt wegen der kurzen Zustiege und der Zivilisationsnähe ohnehin nicht auf und die Anzahl der Bohrhakenrouten ist für 1-2 Wochen Aufenthalt mehr als ausreichend! Etwas unangenehm und erwähnenswert ist vielleicht, dass die ersten Bolts der einzelnen Routen teilweise wirklich extrem hoch gesetzt sind, es heißt also gleich vom Boden (oder Standplatz) weg: Herz fassen und ordentlich klettern um einen Grounder oder Faktor-Zwei-Sturz zu verhindern.
Die lohnenden Touren sind alle mit 10-12mm Ankern saniert und an den Standplätzen stecken jeweils mehrere Bohrhaken mit Ringlaschen. Die Abstände der Sicherungspunkte divergieren aber stark und können das Nervenkostüm des Vorsteigers in so mancher Route schon etwas belasten. So ist die (absolut lohnende) Tour „Tucan Ausente, 7a“ auf den „Mallo Pisón“ nicht wirklich übersichert und auch wenn sich die nominelle Schwierigkeit in Grenzen hält (und ja auch nichts passieren kann, außer einer maximal 15 Meter-Brezen, weit entfernt von jeglichem Felskontakt), gehen die Unterarme in der 60m langen Schlüssellänge dermaßen auf, dass die eigentlich genussvolle und wunderschön athletische Kletterei zwischen den Bohrhaken zu einem einzigen Kampf gegen die permanent steigende Laktatkonzentration in den Muskelzellen wird und in einer wahren Schüttelparade ausartet. Hat man dann endlich den rettenden Bolt in Reichweite, muss man auch noch das zentnerschwere Seil raufziehen und klippen… es ist die Hölle.
Im Gegensatz dazu ist die „Directa as cimas, 6c“ auf den „Mallo Fire“ ein wahrer Genuss: 1-3m Abstände zwischen den Bohrhaken und immer an der richtigen Stelle gesetzt.
Leider reichten unsere Spanischkenntnisse nicht aus um dem Führer die obligaten Schwierigkeitsgrade der Routen zu entlocken (wer weiß ob die überhaupt drinstehen) und mit den Bewertungen waren wir auch nicht 100%ig einverstanden, aber darüber kann man sowieso immer streiten. Vom technischen Standpunkt aus betrachtet ist die Kletterei jedenfalls nicht schwierig, es ist aber durchaus ratsam vor einem Riglosbesuch in der Halle oder im Gym etwas „Strom“ zu tanken...
Führer/Unterkunft: Den Führer „Riglos, Agüero y Foz de Escalate“ von Felipe Guinda Polo (aktuelle Auflage 2005) gibt es leider nur auf Spanisch, man findet sich dank farbiger Wandfotos und hilfreichen Piktogrammen aber gut zurecht. Einige Routen sind dank der Magnesiumspuren von weitem aus schon gut sichtbar. Zu kaufen gibt´s das Büchlein im „Refugio de Riglos“, was wir auch als Unterkunft wärmstens empfehlen. Um die 15 Euro (ja nach Saison und mit Alpenvereinsausweis) inklusive Frühstück kann man es sich in Mehrbettzimmern mit Dusche und WC gemütlich machen. Die Wirtsleute sind superfreundlich, können aber leider kein Wort Englisch. Mit den Frühstückszeiten nehmen sie es auch nicht so genau, aber wir waren ja im Urlaub und ab halb neun haben wir dann auch was bekommen. Es ist auch möglich sich in Vollpension einzuquartieren, oder um 12-15 Euro ein „Menu“ zu bestellen, mit dem man auch garantiert satt wird (gibt ausreichend Nachschub). Dennoch würden wir das nur empfehlen wenn der Hunger ganz zu groß wird, da wir zwei Mal denselben Eintopf vorgesetzt bekamen und dieser nicht gerade frisch gekocht aussah… Aber ein hungriger Klettermagen verträgt das schon und bekanntlich ist Hunger der beste Koch. Weiter oben im Ort gibt es auch noch eine Bar/Restaurant mit Speisekarte.
Supermarkt findet man in der näheren Umgebung nicht, es gibt allerdings im 15km entfernten Ayerbe einige Greißler bei denen man sich mit Jause und Bier eindecken kann.
Die nächste größere Stadt, Huesca, liegt etwa 40km entfernt.
In Riglos gibt es auch einige ebene Parkplätze für Wohnmobile, die hauptsächlich von Franzosen und Spaniern genutzt werden. Grundsätzlich ist es auch möglich an den Wandfüßen der Türme in einer der Ausbuchtungen zu biwakieren, würden wir aber bei den wirklich günstigen Preisen nicht empfehlen.
Anreise: Von Wien aus am günstigsten Flughafen Barcelona ansteuern und sich dort für die Dauer des Aufenthalts ein Auto mieten. Es sind ca. 315km, bzw. 3,5-4h auf gut ausgebauten Straßen nach Riglos. Auf der A-2 Richtung Lleida, dann auf die N-240 nach Huesca schließlich der A-132 über Ayerbe nach Riglos.
Alternativ kann man auch Zaragoza anfliegen und von dort (auch per Bahn) über Huesca nach Riglos fahren.
Jahreszeit: Am besten im Frühling und Herbst. Ab April kann es an vereinzelten Tagen schon sehr heiß werden und man wird aus den südseitigen Wänden regelrecht herausgebrannt. Ab Ende Oktober kann es in der Nacht schon empfindlich kalt werden und wenn sich der Nebel nicht auflöst, packt man besser eine Daunenjacke ein. Teilweise unangenehm ist der mitunter starke Wind in den Wänden, der die gefühlte Temperatur deutlich herabsetzt.
Zielgruppe: Vorneweg: Zum Sportklettern oder Bouldern sucht man sich besser eine andere Destination! Zwar kann man sämtliche erste Seillängen als „Baseclimbs“ von unten sichern (70-80m Einfachseil von Vorteil) aber angesichts der Möglichkeiten an Mehrseillängentouren ist Riglos dafür eigentlich zu schade. Reine Boulderer werden in Riglos sicher nicht glücklich.
Am meisten Spaß haben Kletterer des 8ten und 9ten UIAA-Schwierigkeitsgrades, die eine gesunde Portion Ausdauer mit ins Handgepäck packen und sich in längeren, ausgesetzten Touren wohl fühlen. Die wirklich lohnenden Routen sind leicht bis stark überhängend, 250-300m lang und zwischen 6c und 7c schwer. Auch der/die Nachsteiger/in sollte dementsprechend gerüstet sein; Wir haben zwar auch einen französischen Helden gesehen, der seine Freundin mit Rucksack und Schuhen beladen und diese dann inbrünstig anfeuernd die Wand raufgezogen hat… ob das für sie aber auch so amüsant war wie für uns, konnten wir leider nicht herausfinden.
Text: Dominik Ertl
Bilder: Manuel Guntschnig, Peter Manhartsberger, Dominik Ertl
Nützliche Links:
Unterkunft:
Bilder:
Topos, Führer:
Riglos, Agüero y Foz de Escalate“ von Felipe Guinda Polo (aktuelle Auflage 2005)
Filmtipp:
Alexander Huber - Free Solo in Murciana, 6b+