Die Nordwand des Langkofels mit ihren 1.000 Höhenmetern ist eine der höchsten der Dolomiten und Ziel von Alpinisten, auf der Suche nach wahren Begerlebnissen.
Neben der klassischen „Pichl“ Führe gibt es noch weitere Kletterrouten mit höheren Schwierigkeitsgraden. Allen gemeinsam ist der strenge alpine Charakter.
Beim Besteigen der Langkofel-Nordwand über die „Pichl“-Route kommt man nach ca. 250 Metern zu einer ersten großen Querung. Darüber bildet sich ein leichter Wasserfall der seinen Ursprung am Gipfel des Berges hat. Die Ladiner nennen diese Stelle “sal‘ega”.
In den letzten Jahren, seit das Eisfallklettern mehr Zuspruch erfahren hat, und vor allem durch das Aufkommen der Spezialdisziplin „Dry-Tooling“, haben mehrere bekannte Extremkletterer diesen, im Winter mit Eis bedeckten Streifen beobachtet. Die Niederschläge im Herbst waren allerdings nie ausreichend um daraus einen richtigen Eisfall zu bilden.
Dank der vermehrten Niederschläge im vergangenen Herbst hat sich in diesem Winter diese Eisschicht im Vergleich zu den Vorjahren verdichtet. Aufgrund der Steilheit der Wand bot sie aber keinen kontinuierlichen Zusammenhang.
Für die beiden Bergsteiger war es trotzdem einen Versuch wert. Adam Holzknecht und Hubert Moroder sind für ihre Unternehmungen im Winter auf den schwierigsten Dolomitenwänden bestens bekannt. Auch außerhalb der einheimischen Berge haben sie sich einen Namen gemacht. Viele werden sich an die Rekordbesteigung des Fitz Roy und des Cerro Torre innerhalb von nur vier Tagen erinnern.
Am Montag, den 7. Januar in den frühen Morgenstunden machen sie sich auf dem Weg zum Fuße der Wand. Bereits der Zustieg stellt sich als besonders schwierig dar, da man bei jedem einzelnen Schritt im Schnee versinkt, wovon es auf dieser Nordseite zur Genüge gibt.
Die ersten 250 Meter werden über die Route „Pichl“ bestiegen, die in sommerlichen Verhältnissen keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, da sie den 4. Grad nicht überschreitet. Die komplett verschneite Wand stellt aber die beiden Bergsteiger vor einer großen Herausforderung.
Gegen 11 Uhr, nach dreieinhalb Stunden anspruchsvoller Kletterei wird die erste große Querung erreicht. Hier beginnt das extreme Abenteuer: eine 350 Meter hohe, komplett vertikale und mit einer prekären Eisschicht überzogene Wand steht den beiden Catores bevor.
Nur die außergewöhnlichen Fähigkeiten von Adam, bekannt für seinen einzigartigen Kletterstil, erlauben es Abschnitte zu bewältigen die kaum bezwingbar erscheinen. Es gilt zu unterstreichen, dass Adam und Hubert, ihrer Bergsteiger Ethik treu, mit nur 10 Haken, 10 Eisschrauben und einen Set Friends ausgerüstet sind.
Gegen fünf Uhr nachmittags haben unsere Bergsteiger ungefähr die Hälfte der Eisrinne bezwungen und müssen eine einigermaßen waagrechte Fläche finden, um dort die Nacht zu verbringen. Fünf Meter voneinander entfernt schaffen sie es im Schnee eine kleine Nische neben der Eisrinne auszugraben. An der Wand befestigt hüllen sie sich im Schlafsack ein und bereiten sich auf eine lange Nacht vor. Oben und unter ihnen eine riesige vertikale Wand und vor ihnen eine atemberaubende Aussicht über das beleuchtete Grödnertal und die nahegelegene Comicihütte.
Was sie nicht ahnen: Am späten Abend gehen Anrufe in die Notrufzentrale ein, um die Lichter zu melden, die inmitten der Langkofelwand bemerkt wurden. Die Anrufe stellen sich rasch als Fehlalarm heraus da die Grödner Bergretter über das verrückte Vorhaben ihres Präsidenten und Vize Bescheid wussten.
Die Nacht ist zum Glück nicht besonders kalt, spät am Abend hat sich jedoch ein recht starker Nordwind hochgezogen und es weht die ganze Nacht hindurch stark. Um Gewicht zu sparen, haben die zwei Bergsteiger lediglich einen einzigen Biwaksack mitgenommen. Da sie jedoch nicht ausreichend Platz gefunden haben um nebeneinander zu biwakieren, verbringt Adam die Nacht nur im Schlafsack ohne weiteren Schutz und ist so dem starken Wind ausgesetzt. Nach einer ganz und gar nicht einfachen Nacht und ziemlich durchkältet nehmen die zwei am nächsten Morgen den zweiten Teil des steilen Anstieges in Angriff.
Die ersten drei Seillängen sind besonders hartnäckig und aufgrund der dünnen Eisschicht können die Schrauben nur bis zur Hälfte eingeschraubt werden. Der starke Wind, der den Bergsteigern unnachlässig Schnee ins Gesicht weht macht die ganze Angelegenheit nicht einfacher. Zum Glück gibt es ab und zu eine Sanduhr am Eisfallrand, die gemeinsam mit dem Einsatz von Friends dem Vorsteiger etwas mehr Sicherheit bietet. Adam, der für seine Moral und sein Kletterkönnen niemandem nachsteht, hat in der ganzen Tour lediglich drei Zwischenhacken und drei Standhaken geschlagen.
Die steile Eiswand ist gegen 13.00 Uhr bewältigt und nun gilt es „lediglich“ die restliche, komplett eingeschneite 400 Meter hohe Steilwand. zu bezwingen. Der starke Wind hatte den Schnee kompakt gepresst und somit ist dieser Teil des Anstieges weniger anstrengend. Die Schwierigkeit besteht allerdings im sich gegenseitig Sichern.
Gegen 16.00 Uhr erreichen Adam und Hubert den Gipfel des Langkofels, ermüdet von der zweitägigen Strapaze, heilfroh und mit starken Armschmerzen nach zwei Tagen am Eispickel. Als Belohnung steht eine atemberaubende Aussicht. Ihnen ist jedoch wichtig noch rechtezeitig den Abseilring zu erreichen, um zum Biwak abzuseilen. Der Schlafplatz für diese Nacht fühlt sich jetzt so angenehm an wie in einem ein 5-Sterne-Hotel.
Früh am Morgen packen beide die Rucksäcke und steigen über den Normalweg ab. Wer den Normalweg am Langkofel im Winter gegangen ist kennt deren Schwierigkeiten. Adam und Hubert, wohl an andere Herausforderungen gewöhnt sind nach etwa eineinhalbstunden bereits am Fuß des Langkofels von wo sie zu den Confinböden abstiegen.
Die beiden Catores-Bergführer Adam Holzknecht und Hubert Moroder haben mit dieser Glanzleistung ein Stück alpine Dolomitengeschichte geschrieben.
Text: Flavio Moroder; Fotos: Adam Holzknecht & Hubert Moroder
Webtipp:Bergführer Catores