Als wir von einem angeblichen Kletterparadies mit Sandstein im Süden Frankreichs hörten, wurden wir neugierig.
Damals kannte ich außer einigen langen Granitrouten in der Gegend von Chamonix keinen einzigen Ort in Frankreich, an dem man im Sandstein klettern konnte. Anscheinend gab es einen solchen Ort, und er befand sich genau über dem Dorf Annot im Südwesten des Landes.
Annot umfasst eigentlich vier verschiedene Klettergebiete – ein Gebiet zum Tradklettern, eines mit Bohrhaken, ein weiteres mit Bohrhaken und geschlagenen Griffen sowie ein sehr bekanntes Bouldergebiet.
Die Vorstellung, mit unserer Trad-Ausrüstung perfekte Sandsteinformationen zu klettern, war wie ein Traum... und als wir dann dort waren, wurde dieser Traum Realität.
Während der ersten Tage in Annot waren wir überrascht, was dieser Ort alles zu bieten hatte. Wie meistens im April war es schon recht warm, aber wir fanden in den weiten Schluchten perfekte Bedingungen vor, um auch einige härtere Routen auszuprobieren.
Es war genial und Urlaubsstimmung kam auf. In der Vergangenheit haben wir bei unseren Klettertrips meist auf gute und kalte Bedingungen geachtet, aber dieses Mal genossen wir die heiße Sonne, nachdem wir uns in den windigen, kalten Schluchten ausgetobt hatten. Was für eine Kombination – schwer Klettern und anschließend die französische Sonne und den chilligen Lebensstil genießen. Der Campingplatz war super gemütlich, und das Highlight war die allmorgentliche Lieferung von frischem Baguette und Croissants von der örtlichen Bäckerei direkt in unser Wohnmobil!
Schon bald hatten wir ein Auge auf diese unglaubliche Linie namens Le Voyage geworfen. Le Voyage (E10, 7a) ist eine 38 Meter lange Route im Sektor La chambre du roi und wurde im Jahr 2017 von James Person erstbegangen. Diese relativ neue Route ist definitiv eine der besten Tradklettereien, die Frankreich zu bieten hat. Ein neues, hartes Testpiece, das Wandkletterei mit Löchern, Rissen und Leisten mit anspruchsvollen Platzierungen kombiniert.
E10 7a erscheint auf den ersten Blick wie eine Reihe unverständlicher Buchstaben und Zahlen. Es ist tatsächlich nicht leicht zu entschlüsseln, selbst für die Briten, die dieses komplexe Bewertungssystem erfunden haben. Im Prinzip soll es die Gefährlichkeit einer Route in Kombination mit den rein technischen Schwierigkeiten bewerten.
Ich würde diese Route als schwierig, aber ziemlich sicher bezeichnen, zumindest ab der Schlüsselstelle und den folgenden Abschnitten – je höher man kommt, desto besser sind die Sicherungsmöglichkeiten, die man dort findet.
Der mittlere Teil der Route ist jedoch definitiv mit einem gewissen Risiko verbunden.
Ich fand es mental ziemlich anspruchsvoll, die Traverse auf einem Drittel der Wandhöhe zu klettern. Ich war ziemlich nervös, meine Sicherungen unterzubringen, weil man die Löcher auch als Klettergriffe braucht. Es ist wirklich kniffelig, diesen Teil der Route gut abzusichern, bevor man in die eigentliche Crux der Route einsteigt.
Die Schlüsselstelle selbst ist sehr kraftraubend und erfordert ein hohes Maß an Körperspannung. Für mich fühlte es sich einfach immer unsicher an. Selbst im Toprope bin ich bei fast jedem Versuch gestürzt. Also beschloss ich, einige Versuche im Vorstieg zu machen, um die Motivation hoch zu halten. Vielleicht würde ich auch das Glück haben, den letzten Henkel nach dieser anspruchsvollen technischen Sequenz zu erwischen.
Jacopo war der erste aus unserer Gruppe, der die Route durchstieg und sich die Zweitbegehung von Le Voyage holte, und Siebe war der nächste. Wir alle hatten verschiedene Herangehensweisen für diese Route, was ich ziemlich cool fand. Alle hatten nach dem Auschecken der verschiedenen Möglichkeiten einen eigenen Weg gefunden.
Wir hatten nur noch drei Tage Zeit, bevor wir die Heimreise antreten mussten. Ich stand also unter Zeitdruck, als ich meine Ausrüstung für einen Durchstieg vorbereitete. Ich wollte diese perfekte Linie unbedingt schaffen. Gleich den ersten Versuch an diesem Tag habe ich vermasselt, weil ich zu viel Zeit mit der Platzierung meiner Sicherungen verbracht habe und mich schon vor der Schlüsselstelle ausgepowert hatte.
Jeder Handgriff musste perfekt sitzen, um Energie zu sparen und die benötigten Sicherungen zu platzieren.
Der Durchstieg war ein echter Kampf. Aber schließlich konnte ich diese 38 Meter perfekten Sandstein bezwingen.
Wir hatten alle sehr viel Spaß an diesem Projekt, und der immer präsente Teamgeist hat uns zusätzlich motiviert.
Diese natürliche Linie ist ein echtes Geschenk, ohne geschlagene Griffe und mit gerade genug Struktur, um sie ohne weitere Hilfsmittel klettern zu können. Für mich ist sie einfach perfekt. Solche Routen sind eine echte Seltenheit.
Text: Babsi Zangerl