Vor rund 200 Jahren setzten Admonter Mönche und Jäger die ersten Schritte auf die schroffen Gipfel der Gesäuse Berge, die man in jüngster Zeit auch nur kurz Xeis nennt. Die ersten wichtigen Kapitel der Klettergeschichte an den Gesäusewänden schrieben aber nicht die Kletterer aus der Region, sondern Wiener Bergsteiger, die hier ihre "Wiener Schule", eine strenge alpine Stilrichtung, welche die Anwendung von Haken nur im aller äußersten Notfall gestattete, praktizierten. In jüngerer Zeit waren es aber natürlich vermehrt die einheimischen Kletterer wie Mario Strimitzer, Jürgen Reinmüller, Andi Hollinger und immer wieder auch Gäste wie Robert Roithinger, Mich Kemeter, die Fluch Brüder, Roman Weilguny oder Peter Dunst, die für neue Kletterrouten sorgten. Das Gesäuse gilt als Hochschule des Alpinismus und bietet durchwegs sehr ernste Kletterrouten mit sehr langen Zu- und Abstiegen. Die Plaisierrouten sucht man hier vergebens und man findet im Xeis vielleicht eine Handvoll Kletterrouten, die man ohne mobile Sicherungen gut begehen kann. Wer keine Alpinerfahrung hat, kann sie hier rasch gewinnen, stößt aber noch viel schneller an seine Grenzen! Wir wollen euch hier in einem kleinen Kletterführer einen kurzen Überblick über die lohnenden, ernsten und auch machbaren Kletterrouten zwischen Admont und Hieflau geben.
Die Kletter-Berge im Gesäuse
Die wirklichen langen und ernsten Kletterrouten im Gesäuse verteilen sich im Wesentlichen auf die Nordwände der Hochtorgruppe mit ihren Gipfeln Ödstein, Haindlkarturm, Hochtor, Dachl, Rosskuppe und Planspitze. Die Kletterrouten sind hier bis auf wenige Ausnahmen alpin und eher schlecht gesichert. Zu den leichten alpinen Klassikern gehören Jahn-Zimmer, Pfannl/Maischlberger und die wirklich tolle, auch recht gut gesicherte und markierte Schmitt und Co. Etwas schwieriger und viel imposanter ist die Kletterroute über die Ödsteinkante, an der sich um 1900 die besten Kletterer der damaligen Zeit versuchten. Auch diese Tour bleibt aber nur gestandenen Kletterern mit viel Alpinerfahrung vorbehalten. Der Abstieg und gleichzeitig der leichteste Kletter-Aufstieg auf den Ödstein-Gipfel ist der Kirchengrat mit stetigem Blick auf die Johnsbacher Kirche und den berühmten Bergsteigerfriedhof, auch hier stecken kaum Haken.
Besonders abweisend und steil ist die Nordwand des eher unscheinbare Gipfel des Dachls. Seine zieht seit eher Kletterer magisch in ihren Bann. Hervorzuheben ist hier sicher die extrem anspruchsvolle Dachl Komplizierte, die als alpines Gesäuse Testpiece im 7ten Grad gilt. Links daneben finden sich Kletterrouten bis in den unteren elften Schwierigkeitsgrad, eine kleine Auswahl der Dachl Nordwand Kletterrouten wollen wir euch nicht vorenthalten.
Östlich der steilen Dachl Wände ist die Rosskuppe mit ihrer berühmten Rosskuppenkante, eine parade-6er Klettertour, die natürlich auch alpin gesichert ist. Abgesehen vom Hochzinödl mit einigen interessanten aber auch sehr ersten und schwierigen Klettereien finden sich neben der Rosskuppe noch die Peterschartenkopf und Planspitze mit ihren sehr schönen Nordwanrouten wie der Peterschartenkopf Nordostwand, die Routen in der Planspitze Nordwand sind zwar schön, aber eher kurz und recht anspruchsvoll.
Auf der Sonnenseite der Hochtorgruppe sticht eindeutig die Festkogel Südwand mit ihren wunderbaren Plattenrouten hervor. Auch hier waren Wiener Kletterer wie Karl Kosa mit seiner Wienerführe aktiv. Der Fels ist hier durchzogen von Wasserrillen, deshalb heißt auch eine der besten Festkogel-Kletterrouten Wasserwerk, diese Kletterroute ist nicht nur schön, sondern auch recht gut gesichert. Fast schon im Plaisir-Stil ist die leichtere 6er Kletterroute Waschrumpel gehalten, hier kann mal Keile und Friends getrost zu Hause lassen. Noch leichter, aber wieder alpin ist nur der Steyrerweg mit 4+. Die restlichen Kletterführen sind alle recht alpin. Bevor man zur eigentlichen Festkogel Südwand kommt, gilt es noch den Festkogel Vorbau zu überweiden, die erfolgt entweder zu Fuß bis UIAA 1, oder über eine der Vorbaurouten, die aber auch allesamt weiter gesichert sind. Für den Zustieg zu den Festkogel Routen sollte man 2 ½ Stunden und für den Abstieg gut 3 Stunden einplanen.
Die leichteste und frisch sanierte Route ist die Kletterroute Anfängerglück, deren Topo im Print-Kletterführer (siehe dazu unten!) leider nicht korrekt ist. Die aktuellen Infos zu dieser 805 Meter langen Tour im 3ten Grad findet ihr unter Anfängerglück - Festkogel / Östeinkarturm.
Links vom Festkogel brechen die Südwände des Ödstein ins Tal. Hier finden sich einige lange, aber auch ernste Wasserrillen-Platten Kletterrouten am Kleinen Ödstein, die wir in unserem elektronischen Kletterführer Gesäuse hier nicht unerwähnt lassen wollen. Namen wie Gummikiller und Flora bezeichnen recht gut, was einem hier erwartet. Dazu kommen viel Sonne, ein langer (gut 2 Stunden) Zustieg und ein gefährlicher Abstieg (3 Stunden).
Die Südseite des Hochtors wirkt im Vergleich zur imposanten Nordseite fast etwas mickrig. Hier erwähnen wir in unserem Kletterführer lediglich die leichten Routen Rosschweif und Grazerweg, da sie wirklich lohnende Kletterei bieten.
Wer zum Klettern ins Gesäuse kommt, sollte sich auch die längste Kletterroute im Xeis ansehen. Sie verläuft genau an der Licht-Schatten-Grenze über die gesamte Hochtorgruppe und wird Große Gesäuseüberschreitung genannt. Sie führt über 15 Kilometer in einem steten Auf und Ab vom Großen Ödstein bis zur Planspitze und sollte nur von sehr konditionsstarken Kletterer oder mit einem lokalen Gesäuse Bergführer, wie Rene Guhl angegangen werden.
In der Verlängerung der Hochtorgruppe nach Westen finden sich Reichenstein, Sparafeld und Kalbling. Sie zeichnen sich als einzige Gesäuseberge durch moderate Zustiege zu den Kletterrouten aus. Insbesondere, wenn man bis zur Oberst Klinke Hütte mit dem Auto fährt. Von dort steht man schon in einer knappen Stunde unter dem Kalbling Südgrat, eine in alten Gesäuse Klettererführern hochgelobte Kletterei im 6ten Grad. Gleich links davon warten mit Herbst/Scholz und Pelikan/Riebe mit leichterer Kletterei. Am Sparafeldkann man eigentlich nur die Sparafeld Diagonale empfehlen, recht gut gesichert, schöner Fels, aber ein rustikaler Zustieg. Am markanten Admonter Reichenstein wollen wir in diesem Kletterführer nur die Kletterroute Ostgrat-Ostwand-Totenköpfel anführen.
Der letzte große Kletterberg in unserem Gesäuse Kletterführer ist der Buchstein mit seiner sonnigen Südwand. Es gibt hier einige Kletterrouten, wirklich lohnend sind aber König Löwenherz, die etwas leichtere Lindblia und die frisch sanierte und jetzt auch ohne Gefahr wieder kletterbare Dornröschen. Bei den Buchstein Südwand Touren sollte man aber beachten, dass oben der Klettersteig fast durch die gesamte Wand quert. Ergo Steinschlaggefahr, auch beim Zustieg in Wandnähe! Wer lieber ganz leicht klettert, dem empfehlen wir den Buchstein Westgrat, der direkt bei Gipfelkreuz rauskommt. Zuletzt noch die restlichen halbwegs lohnenden Kletterrouten, Skitouren und den Klettersteig am Buchstein. Einziger Wermutstropfen ist auch hier der lange Zustieg von gut 3 Stunden aus dem Tal. Wer am Buchsteinhaus nächtigt, erreicht die Einstiege in ca. einer Stunde. Ganz neu hingegen sind die Kletterrouten an der Admonter Frauenmauer, ein westlicher Ausläufer des Buchsteins, Routennamen wie Zum guten Wirt'n erinnern an den ehemaligen Hüttenwirt und Meisterkoch vom Buchsteinhaus Helmut Tschitschko.
Sportklettern im Gesäuse
Last but not least zu den Klettergärten, von denen es drei offizielle mit Topos und einige inoffizielle ohne Topos gibt. Sie liegen mit dem regensicheren Haindlhof beim Gesäuseeingang und im Johnsbachtal, wo man offiziell im Alten Klettergarten, am Gsengstein und beim Tunnel klettern darf. Gesehen hat man Sportkletterer auch schon beim Wasserfall über dem Kölblwirt (Wolfbauer), beim Alten Klettergarten auf der anderen Bachseite und an der Nordseite des Silberreiths über den auch – brandneu mitten im Nationalpark erreichtet, sic! - ein sehr schöner Klettersteig hinaufführt. Die Klettergärten sind ganz gut, aber zum Sportklettern, muss man nicht extra ins Gesäuse reisen.
Anreise, Unterkunft und sonstige Aktivitäten
Unterkünfte: Neben den Hütten am Berg, die sich insbesondere für die lange Zustiege anbieten, findet man in Admont und Johnsbach eine ausreichende Anzahl an guten Gasthöfen und Unterkünften, in deinen man preisgünstig speisen und nächtigen kann. Wer lieber campen möchte, tut dies am Campingplatz Fostgarten bei der Ennsbrücke westlich von Gstatterboden.
Anreise: Mit dem Auto von Süden über die A9 bis Trieben und über die Kaiserau nach Admont. Von Westen über das Ennstal und von Norden über die A9 oder den Buchauer Sattel nach Admont. Die Parkplätze sind bei den hier beschriebenen Klettertouren mit GPS Koordinaten versehen und mit Routenplaner von Google Maps verknüpft.
Parken: Fast alle Kletter-Parkplätze sind seit 5.1.2023 kostenpflichtig. Es gibt für Einheimische eine Jahreskarte um 10,- für Auswertige um 40,- (Achtung nur im Dez. des Vorjahres!). Das Tagestiket kostet 6,- Euro. Verantwortlicher Betreiber ist der Parkverbund Gesäuse. Die Parkplätze auf der Kaiserau kosten extra.
Gesäuse Bergführer: Hier empfehlen wir den lokal ansässigen Bergführer Rene Guhl und für Skitouren den Puiva Paul Sodamin aus Trieben.
Kletterführer: Es gibt auch einen Kletterführer in Papierform mit vor allem alpinen, schlecht gesicherten Routen. Die wichtigsten und halbwegs gut gesicherten Kletterrouten im Gesäuse findet ihr auf bergsteigen.com unter Touren-->Klettern-->Ennstaler Alpen
Die Kletterrouten bei uns haben Topos, Übersichtsbild und auch GPS Daten und ihr könnt nach Länge und Schwierigkeit filtern. Jedes Jahr kommen viele neue Klettertouren im Gesäuse dazu:-)!
Bergsportgeschäft: In Admont gibt es ein feines (Berg)sportgeschäft. Infos: poerl-sport-shop.at
Bergrettung: Der Alpine Rettungsdienst Gesäuse ist extrem kompetent, perfekt ausgebildet und über den „Alpin-Notruf 140“ zu erreichen. Der Handyempfang ist nicht in gesamten Gesäuse gut. Falls man kein Netz hat, bitte aus allen Netzen die internationale Notrufnummer 112 wählen!
Was kann man im Gesäuse sonst noch tun? Wandern, wandern, im Sommer in der Enns baden und Kajak fahren, oder einfach nur die wundervolle Natur im Nationalpark genießen. Achtung: Das Starten mit dem Gleitschirm und Base-Jumpen ist im Nationalpark verboten. Für Regentage bietet sich unbedingt ein Besuch des Benediktiner-Stifts Admont mit seiner weltberühmten Bibliothek an.
Epilog
Wir geben hier einen natürlich nicht vollständigen Überblick über alle Kletterrouten im Gesäuse, halten diesen aber dafür soweit möglich sehr aktuell und erweitern diese Tourensammlung mit Unterstützung vieler Kletterer und Erstbegeher ständig. Wir bitten daher auch alle Gesäuse-Kletterer, die neue Routen im Gesäuse erstbegangen haben, oder neue Topos, Beschreibungen und Korrekturen von bereits bestehenden Routen haben, diese uns (andreasATbergsteigen.com) zu mailen, damit wir sie auf bergsteigen.com veröffentlichen bzw. bestehende Routen korrigieren können.
Herzlichen Dank und viel Spaß beim Klettern im Gesäuse!