Das Setzten von Bohrhaken - also das Zurücklassen von Spuren - ist der springende Punkt in der Sache.
11 August 2006

Klettergärten in Gefahr!

Der Oberste Gerichtshof verbietet das Einrichten von Klettergärten ohne ausdrückliche Zustimmung des Grundstückeigentümers. Das Urteil und seine Folgen....

Die Vorgeschichte

Sportklettern boomt und die Klettergärten schießen wie Schwammerln aus dem Boden. Kaum ist eine neue Wand entdeckt wird sie eingebohrt und die Massen strömten in die neuen Gebiete. Oft zur Unfreunde der Grundstücksbesitzer und Jäger, die sich durch den plötzlichen Ansturm gestört fühlen. Bei "Streitereien" stützen sich die Kletterer auf § 33 Abs 1 Forstgesetz, in dem die viel diskutierte Wegfreiheit, also das uneingeschränkte Betreten des Waldes zu Erholungszwecken – normiert ist. Doch damit ist jetzt offenbar Schluss.

Vor dem Höchstgericht

In einem kürzlich ergangenen Beschluss hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH) zum Thema Wegerecht und dem Einrichten von Touren geäußert (OGH 29.3.2006, 7 Ob 63/06z). Der Beschluss erging bezüglich eines Verfahrens vor dem LG Salzburg und dem OLG Linz (4 R 185/05m). Die Entscheidung des OLG und der Beschluss des OGH hat wohl bei interessierten Juristen für einige Aufregung gesorgt. Zudem sind die Auswirkungen dem Vernehmen nach bereits jetzt zu spüren.

Aber der Reihe nach: Inhaltlich ging es darum, dass ein Kletterer am Schildkar (Pass Lueg/Salzburg) im Lauf mehrerer Jahre insgesamt 44 Kletterrouten mit ca. 500 Bohrhaken eingerichtet hat. Der Grundstückseigentümer hat dann auf Unterlassung und Entfernung der BHs geklagt. Die Unterlassung bzw Entfernung der Markierung der Klettersteige (offensichtlich wurden hier Kletterrouten mit Klettersteigen verwechselt) sowie die Unterlassung der Veröffentlichung wurden vom Einrichter akzeptiert. Hinsichtlich der Toureneinrichtung hat der Einrichter Wegefreiheit gem § 33 Abs 1 ForstG geltend gemacht. Der Eingriff in das Eigentum des Grundstückseigentümers sei zudem minimal, eine Beeinträchtigung damit wohl nicht verbunden.

Aufgrund der bereits veröffentlichten rechtlichen Meinungen zu dieser Thematik hätte man annehmen können, dass der OGH der von Prof. Hinteregger vertretenen Auffassung folgt. Das hat der OGH jedoch nur bedingt gemacht, wie sich aus den folgenden auszugsweise wiedergegebenen Passagen ergibt:

"Auch wenn man nämlich Felsklettern mit Anbringen von Bohrhaken in einem dem Sicherungsbedürfnis des einzelnen Kletterers entsprechenden Umfang im Sinne etwa der Ausführungen von Hinteregger, Felsklettern und Grundeigentum, ZVR 2000, 110 (121 f) unter § 33 Abs 1 ForstG subsumiert, liegt völlig auf der Hand, dass das Anlegen von 44 Kletterrouten und Einschlagen von 500 fixen Bohrhaken in nur einer Felswand durch einen einzelnen Kletterer jedenfalls eine über § 33 Abs 1 ForstG hinausgehende Benützung darstellt und daher im Sinn des Abs 3 leg cit der Zustimmung des (Wald-)Eigentümers bedarf. Da eine solche Genehmigung der Kläger vom Beklagten nicht eingeholt wurde, kann - ohne dass eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten wäre - die Richtigkeit der Stattgebung des gegenständlichen Feststellung-, Beseitigungs- und Unterlassungsbegehrens durch das Berufungsgericht nicht bezweifelt werden."

Es wurde also nicht die generelle Rechtmäßigkeit des Anbringens von Bohrhaken beurteilt, sondern lediglich aufgrund der Anzahl von Routen und Haken darauf geschlossen, dass hier ein Klettergarten errichtet wurde.

Der betroffene Kletterer wurde rechtlich vom Oesterreichischen Alpenverein unterstützt. Beide beurteilten die Routenansammlung nicht als Klettergarten.

Folgen für die Praxis

In der Praxis werden sich aus diesem Beschluss im Regelfall - und sofern der OGH seine Rechtsprechung nicht weiter verschärft - zunächst nicht so viele Änderungen ergeben. Wieso?

- Im gegenständlichen Fall hat eine Einzelperson alle Kletterrouten eingerichtet. Dies dürfte eher die Ausnahme als die Regel sein. Einige wenige Kletterrouten pro Erschließer sollten in Ordnung sein. Sofern es zu keinem abgestimmten Verhalten zwischen verschiedenen Erschließern kommt, kann man derzeit auch nicht davon ausgehen, dass es hier Einschränkungen geben wird.

- Sofern die Zustimmung des Grundstückseigentümers vorliegt stellt sich die ganze Frage nicht. Diese Zustimmung kann auch konkludent gegebenen worden sein (zB anläßlich des erstmaligen Zusammentreffens zwischen Einrichter und Grundstückseigentümer, das ja im Regelfall friedlich verläuft).

- Gewohnheitsrechtliche Aspekte und eventuell auch ersessene Rechte spielen bei einigen großen Klettergärten zweifelsohne eine Rolle. Dies gilt zB für Klettergärten wie den Peilstein wo schon seit mehr als 100 Jahren geklettert wird.

- Das Einrichten von Touren, an denen nur mit Klemmkeilen und Friends geklettert wird ist wohl jedenfalls vom Wegerecht umfasst. Zulässig sind nach wie vor das Bouldern und das Einrichten von Toprope-Routen.

- Das Eisklettern ist eindeutig von der Wegfreiheit erfasst. Beim Einrichten von Mixed Gebieten von einer Person könnte es zu Problemen kommen.

- Wie ein einem früheren OGH Urteil zur Mizzi-Langer-Wand bereits festgestellt, haftet der Grundstückseigentümer NICHT für Unfälle in nicht von ihm selbst errichtetetn Klettergärten. Siehe OGH (1 Ob 300/03d).

Erste Reaktionen in Krisengebieten

Das Urteil hat sich in der Jäger- und Försterschaft rasch verbreitet (siehe z.B. Bericht der Landwirtschaftskammer) und wird dort natürlich stark zu Gunsten des Grundstückseigentümers ausgelegt. Beim Kollerturm, einem Krisengebiet gegenüber der Hohen Wand in NÖ wurden bereits alle Haken (auch alten Normalhaken) abgeflext und dies obwohl dort seit 1925 geklettert wird. Überall dort, wo es Probleme gab, von der Kletterschaft unter verweis auf § 33 ForstG abgewürgt wurden, muss man mit – wie im Fall des Kollerturms – falschen Aktionen Rechnen. Hier ist jetzt ganz besonders der Alpenverein gefragt, zu beruhigen und zu informieren.

Interessant im Zusammenhang mit den großflächigen Grundstücksverkäufen im Tennengebirge und den von uns befürchteten Zutrittsbeschränkungen erscheint uns auch, dass es ein deutscher Grundstückseigentümer war, der das Kletterverbot durchsetzt hat.

Schrecksekunde am Schleier Wasserfall

Medlungen auf der Page www.naturized.com zufolge soll auch im Topgebiet Schleier Wasserfall das mit Bohrhaken gesicherte Klettern verboten sein. Wie der ÖAV bestätigt, ist alles im Grünen Bereich, einzig ein Megaevent der Firma McKinsey am Schleier wurde von den Bundesforste nicht gestattet.

Ausblick

Der Beschluss des OGH bringt daher im Grunde genommen einige neue Aspekte, die aber die bestehende Ausübung des Klettersports nicht beeinträchtigen sollten.

Es wird sich empfehlen insbesondere bei Neuerrichtungen von ganzen Klettergärten - und vielleicht kann hier der Alpenverein tätig werden - das Gespräch mit Grundstückseigentümern zu suchen und die Nutzungsrechte nach Möglichkeit vertraglich zu verankern. Es geht hier ja um den langfristigen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen, der in der Praxis gut funktioniert (siehe zB Schattenreich im Höllenthal).

Es bleibt auch zu hoffen, dass die verantwortlichen Gemeinden erkennen, dass man mit Kletterern langfristig mehr Geld verdienen kann als mit der Jägerschaft und eine entsprechende Gesetzesänderung durchsetzen oder die Grundstückseigentümer überzeugen. In Frankreich und Italien hat man dies schon längst erkannt und lebt friedlich miteinander. Es geht aber keinesfalls darum Gegensätze aufzubauen, dafür ist der zur Verfügung stehende alpine Raum (hoffentlich) doch zu groß.

Vielleicht ist es aber auch ein Signal an die Kletterer die Übererschließung der Felsen mit Bohrhaken, wie dies z.B. am Peilstein erfolgt ist, kritisch zu überdenken.

Bitte meldet Probleme und Zwischenfälle wie beim Kollerturm an den OEAV, Michael Larcher oder Josef Essl und startet keine Gegendemo.

Wir werden jedenfalls laufend über die aktuelle Entwicklung berichten.

Text: Thomas Zivny und Andreas Jentzsch

Bilder: Axel Jentzsch-Rabl und Florian Forster

Download:

OGH Urteil vom 29.3.2006

OLG Linz Urteil vom 24.1.2006

Webtipp:

Krieg und Frieden - ein Bericht aus 2004 über die Beziehung zwischen Kletterern und Förstern - Grundlagen des Wegerechts - Gehört ein Fels zum Wald? - in dem diesen Problem bereits befürchtet wird.

Das Setzten von Bohrhaken - also das Zurücklassen von Spuren - ist der springende Punkt in der Sache.
Meist geht es um die Jagd - die Jäger haben es lieber ruhig und wollen (auch) nicht weit gehen müssen...
Wobei sich das Wild, wie man auch beim Paragleiten sieht, an die Kletterer gewöhnt.
Haken wurden in Klettergärten schon entfernt.
Flex und weg - ein abgeflexter Klebehaken, das ist alles, wass von der beliebten Klettertour "Orient Express" übergeblieben ist.
Die sog. Kollerwand gegenüber der Hohen Wand (NÖ) - hier eskalierte der Streit zwischen Kletterer und Grundeigentümer schon (Haken wurden tlw. entfernt). Geklettert wird in diesem Gebiet seit 1905, also schon seit über 100 Jahren !
Achtung - die Sicherungshaken wurden entfernt - der Grundeigentümer. Das ließt man auf dem am Waldboden verstreuten Zetteln im Klettergebiet Kollerwand gegenüber der Hohen Wand (NÖ).
Auch Normalhaken wurde abgeflext - da macht der vom Grundeigentümer beauftragte "Abflexer" meist keinen Unterschied.
Ob Fels- oder Mixedtouren, ob von oben oder von unten eingerichtet - da macht der Richter keinen Unterschied.
Schluss mit Plaisir - es lebe das Abenteuer. Ob dieser Weg dem Klettersport gut tut?
Kommt wieder eine Renaissance der Klemmkeile? Im Bild die neuen PowerCams von Metoliusclimbing mit farbiger "Setzhilfe".
Gefordert sind jetzt sicher die alpinen Vereine und der Gesetzgeber. Eine Lösung sollte möglichst bald gefunden werden!
Keine neuen Bohrhaken-Klettergärten ohne Zustimmung des Grundeigentümers...