ILLUMINATI M 11+/WI 6+
„Kommst mit ins Langental? Ein verstecktes Eiskletterparadies wartet auf uns.“ Paul Mair versuchte, mich mit allen Mitteln zu überreden mitzukommen. „Erich Gatt sagt, es soll gewaltig sein und er will Bilder von uns machen.“ Ich war vom letzten Wettkampf noch völlig fertig und wollte eigentlich nicht, aber ein neues Gebiet kennen zu lernen war reizvoll genug, um ins Geschehen einzusteigen.
Von zauberhaftem Licht direkten angestrahlt
Am nächsten Tag kletterte ich zwar keinen Meter, auch Bilder gab es keine - nur schwere Beine vom dreistündigen Zustieg. Das Eis an unserem Ziel war nicht bis zum Boden gewachsen. Dafür sah ich an der anderen Talseite eine Linie, wie ich sie vorher nur in meinen wildesten Träumen gesehen hatte. Ich war sofort fasziniert, redete nur mehr über dieses gewaltige und gleichzeitig perfekt geformte Eisgebilde in einer wunderschönen Landschaft, die noch dazu am Vormittag von einem zauberhaften, direkten Sonnenlicht angestrahlt wird.
Von unten mit der Bohrmaschine
Ein paar Tage später marschierte ich mit der Bohrmaschine im Rucksack dort hin. Mit dabei war Dougal Tavener, ein motivierter Bursche aus North Wales, der diesen Winter extra fürs Eisklettern nach Innsbruck kam. Als ich das erste Mal am Einstieg stand, wurden mir die Dimensionen erst so richtig bewusst. Bis zum Vorhang waren es gut 60 Höhenmeter, noch dazu über 20 Meter überhängend – ein Riesendach. Ich begann, die Route von unten im Vorstieg einzurichten. Nach dem ersten Tag erreichten wir, nach 22 gesetzten Bohrhaken, etwa die Höhe des längsten Zapfens vom Vorhang. Es fehlten immer noch 15 Meter. Diese waren am nächsten Tag schnell erledigt und die Route war für die ersten Freikletterversuche fertig.
Die zweite Länge war eine harte Nuss
Eine Woche später, am 24. Januar, fühlte ich mich ausgeruht genug, um die Route zu versuchen. Mit dabei waren wieder Dougal, bei dem ich mich für die unermüdliche Sicherungsarbeit bedanken möchte, und Hannes Mair, welcher die Begehung filmen wollte. Die erste Seillänge lief überraschend gut. Ich konnte sofort ohne Sturz – es war zwar ein paar Mal sehr knapp – durchsteigen. Ich hatte ein gutes Gefühl, da ich die zweite Seillänge leichter einschätzte. Ich sollte mich an diesem Tag aber noch öfter täuschen. Die zweite Länge warf mich vier Mal ab und ich war schon soweit abzuseilen, meine Kräfte waren am Ende.
Ich entschloss, doch noch einen letzten Versuch zu machen. Diesmal kletterte ich flüssig, mit wenig Kraftaufwand bis zum Ausstiegszapfen. An diesem war ich so gepumpt, dass ich extrem kämpfen musste, um nicht vom Eis zu fallen. Ich erreichte mit den allerletzten Kräften den Stand. Nun lagen aber noch drei Seillängen vor uns. Ich rastete kurz und stieg in die letzte Mixedlänge ein, welche über den Vorhang ins kompakte Eis führt. Es lief alles wieder wie am Schnürchen, auch die erste reine Eislänge war ein Genuss. Ich dachte, jetzt ist’s gelaufen, noch schnell die Säule hoch und das war’s.
Letzte Seillänge ein wahrer Albtraum
Ich täuschte mich erneut. Diese letzte Seillänge, eine freistehende Säule, etwa 50 Meter lang, mit steilem, meist senkrechtem Eis war aufgrund der extrem schlechten Eisqualität ein wahrer Albtraum. In der Mitte war ich kurz davor, die Nerven wegzuschmeißen. Ich wollte nicht mehr weiter, die Absicherung im Eis war mehr als zweifelhaft. Ich sah ein paar Meter oberhalb eine Art Kamin. Bis zu dem wollte ich noch klettern, vielleicht gibt es dort ja besseres Eis. Und siehe da, wirklich, im Inneren des Kamins war gutes Eis, ich setzte zwei bombige Schrauben und kletterte bis zum Ausstieg.
Völlig durchgefroren, absolut ausgepowert, aber doch überglücklich, seilten wir in der Dunkelheit zum Einstieg ab.
I L L U M I N A T I - Daten:
Ort: Langental (Val Lunga) bei Wolkenstein, Italien
Seehöhe: ca. 2000m
Exposition: Südost
Zustieg: Auf der linken Talseite, nach ca. 10min vom Parkplatz bei einem Felsüberhang die Grashänge hinauf, ca. 1 Stunde.
Eingerichtet: Albert Leichtfried & Dougal Tavener am 14. und 15. Januar 2006
Erste RP:Albert Leichtfried am 24. Januar 2006, alle Längen im Vorstieg
Beste Zeit: Dezember, Januar
Material: 12 Expressschlingen, komplette Eisausrüstung
Länge: ca. 165 Klettermeter
Abseilen: 3x50m am rechten Rand, im unteren Teil entlang eines Klettersteiges
Sonstiges: Die Route ist eine ernste alpine Unternehmung, ein Rückzug ist nur sehr schwer möglich. Der obere Teil im Eis sollte nur an kalten Tagen im Schatten bzw. bei Bewölkung geklettert werden. Beim Überklettern des riesigen Vorhangs muss unbedingt darauf geachtet werden, dass das Seil niemals unter dem Vorhang hindurchläuft
Bewertung: Die Route wurde im „reloaded“ - Stil ohne Fersensporn geklettert. Die Bewertung und eine freie Begehung gelten ausschließlich für diesen Stil.
1. SL.: M 11-, 30m, 12m überhängend,
Ausdauer, Crux im oberen Teil.
2. SL.: M 11+, 25m, 10m überhängend, diffizil, ausdauernd kräfteraubend.
3. SL.: M 8-, 30m, 3m überhängend schön, über den Vorhang ins Eis.
4. SL.: WI 4, 30m, gestuft Genuss in perfektem Eis
5. SL.: WI 6+ 50m, senkrecht freistehende Säule mit sehr schlechtem Eis.
Fotos: Hermann Erber - www.outdoor-foto.at
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