Vor gut 19 Jahren gelang meinem Onkel Thomas Unterwurzacher, zusammen mit einer Handvoll einheimischer Kletterer, eine unglaublich elegante Erstbegehung an der Hochgrubach Südwand, die er passend auf den Namen "Goinger Wunderwelt" taufte. In Falllinie vom Gipfel zieht die Linie kerzengerade durch die pyramidenförmige Wand der Hochgrubach Spitze. Die Schwierigkeiten der Seillängen bewegen sich durchwegs im 8. Grad, die Schlüsselseillänge konnte jedoch nur mit Hilfe technischer Tricks (Cliff und co.) bewältigt werden und wurde mit 8+/A1-A2 bewertet. Aber laut meinem Onkel und anderer Aspiranten sollte die Länge auch freikletterbar sein...
Vor ca. 10 Jahren kletterten Toni Moßhammer und ich zum ersten Mal durch die Route und stellten fest, dass die 6. Seillänge sicher frei machbar ist.
Im Herbst 2012 war es dann wieder soweit. Toni und ich waren zurück und wollten die Länge nochmal auschecken. Ich konnte super Lösungen für die schwierigen Stellen finden und alle Züge machen. Bis zum nächsten Versuch, sollte aber wieder ein halbes Jahr vergehen.
Heuer machten wir uns wieder auf den Weg zur Südwand, die Bohrmaschine im Gepäck, denn um die Länge frei zu klettern, musste ich 4 Bohrhaken umplazieren. Wir hatten eine gute Bouldersession und wie immer einen sehr spaßigen Tag. Die Motivation, so schnell wie möglich wieder zurück zu kommen, war immens.
Eine Woche später standen wir erneut unter dem Einstieg. Das Wetter war etwas zweifelhaft, für den Nachmittag waren starke Gewitter gemeldet und es sah ganz so aus, als ob es jeden Moment anfangen würde zu regnen. Das Wetter war aber auf unserer Seite und so kletterten wir zügig im Überschlag bis zur Schlüssellänge. Ich hängte mir die Schlingen ein, checkte erneut die Züge aus und musste feststellen, dass ich den vortäglichen Kletterausflug zum Schleier, noch ganz gut in den Muskeln spürte. Auch Toni checkte die Länge aus. Nach 30 Minuten Pause setzte ich einen Versuch und gab 120 %, ein echter "Fight", wie ich ihn schon lange nicht mehr hatte. Der erste schwere Boulder, ein Sprung auf eine scharfe Leiste hätte mich beinahe rausgeschmissen, irgendwie blieb ich aber hängen, jetzt hieß es cool bleiben, Gas geben und keinen Fehler machen. Die Akkus blinkten schon und das, was dann kam verlangte vollste Aufmerksamkeit. Die obere Passage lief perfekt und der letzte technische Sprung war eine Mischung aus Augen zu und durch und einfach dran glauben. Ich machte mir keine Gedanken und sprang auf gut Glück von den Reibungstritten weg, dem letzten schweren Zug entgegen und blieb tatsächlich am Henkel hängen.... Abgefahren!!! Ein geiles Gefühl!
Nach 19 Jahren konnte ich mir die erste freie Begehung dieser familiären Kletterperle und der wohl schönsten Linie am Ostkaiser sichern, ein wahnsinns Tag. Mein Bewertungsvorschlag für die 6.Seillänge liegt irgendwo im Bereich 8b. Ein riesen Danke an Toni für die Unterstützung!!!
Tipp: Potenzielle Wiederholer sollten 3 mittlere Keile, 2 mittlere Friends, 12 Expressen und vielleicht einen Cliff mitbringen.
Text: Guido Unterwurzacher
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