Grandes Jorasses Nordwand - Leichentuch 2017
von Michl Kraeftner am 14.10.2017
Am 25. Juli 1985 durchkletterte Christophe Profit die Nordwände von Eiger (knapp sieben Stunden), Matterhorn (vier Stunden) und Grandes Jorasses (vier Stunden) in insgesamt 22,5 Stunden. Zu den Einstiegen gelangte er per Helikopter, den Abstieg absolvierte er teils am Gleitschirm. Dieser Virus schlug voll bei mir ein…
Vorbereitung:
Nach unserer erfolgreichen Durchsteigung der Eiger Nordwand im Mai 2016 (ein Flug vom Gipfel klappte wegen des stärkeren Südwindes oben nicht) stand ich nun wieder mit Dani Arnold am 13.10.2017 mega kurzfristig geplant in Chamonix. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage war excellent, und das wollten wir für eine ganz spezielle Tour nutzen: die Nordwand der Grandes Jorasses mit dem Zu- und Abstieg mit dem Tandemgleitschirm!
Nach ausführlichem Studium der Windverhältnisse in allen Höhen gab ich grünes Licht- die Vorhersage am Gipfeltag mit 15 km/ h Südwind war zu perfekt, um den Schirm unten zu lassen! Ich wählte die kleinste Größe eines singleskin Paragleiters mit 26 m2 und gerade mal 2,8 kg Gesamtgewicht, den Dani locker in seinem Rucksack verstaute…
Erster Tag- Flug und Zustieg:
Der ganz leichte Westwind am Startplatz der Aiguille du Midi auf 3.600 m Höhe ließ mich etwas nachdenklich werden: Nord- oder Südwind wären optimal dort oben- Westwind bedeutet verringerten Auftrieb und längeres Anlaufen. So war es dann auch. Unter Ameisenkniehöhe fegten wir über die letzte Spalte nach dem Start über den Schnee und schaffte den Sprung über den Felsgrat nach Süden ins mer de glace. Dani entfuhr ein Jubelschrei- war es doch ein wenig knapper als gedacht!
Nach einem unglaublich beeindruckenden Flug über Gletscher und Grate landeten wir unterhalb der Leschauxhütte und stiegen mit dem ganzen Gepäck zum Einstieg. Wir verwarfen die Biwakambitionen unter der Wand, deponierten unser gesamtes Material in der Nähe des Einstieges und wanderten dann wieder zur Hütte zurück. Eine perfekte Spur war gelegt…
Zweiter Tag- Klettern und Abstieg:
Nach einer bequemen Nacht in der Hütte, die wir gerade mal mit einer weiteren Person teilten (wo waren alle guten Kletterer nur…), begannen wir unsere Tour um 0330 Uhr und standen knapp zwei Stunden später beim Material am Einstieg. Schon in der ersten Länge rief mir Dani zu: „Michl- es ist perfekt zu klettern“! Und so war es auch: im steilen 80°- Einstiegsbereich über vier Seillängen perfekter Styroporschnee und gute Absicherungsmöglichkeiten in den Felsen rechts von uns ließ uns zügig an Höhe gewinnen.
Im flacheren Mittelteil (60-70°) gingen wir am laufenden Seil bei schon blanken Bedingungen immer gerade hoch. Am Vortag sahen wir eine direkte Linie, die machbar aussah und uns einerseits einen frühen Ausstieg aus der Wand ersparte (der Hirondelles Grat bzw. die Kletterei an der Ostseite des Berges ist nicht gerade prickeln schön) und andererseits ein Steileisklettern par excellentes garantierte!
Und es war nahezu perfekt: sieben Seillängen wunderbares Eis, kaum splittrig, bis auf wenige Ausnahmen dick genug für eine gute Absicherung und eine Szenerie zum Niederknien- es war einfach top! In der Schlüsselseillänge war ich aber dann doch etwas entspannt, da Dani diese Länge führte- und ich sah bisher noch keinen, der eine WI 6+ mit einem Tandemschirm am Rücken derart leichtfüßig hochstieg. Chapeau!
Der Ausstieg zum Grat war einfach und die nachfolgende Kletterei zum Gipfel in der Sonne kurzweilig. Einfach herrlich, nach 8,5 Stunden Kletterei am Gipfel zu stehen. Dort dann aber das Unerwartete: NULL Wind auf 4.208 m. Was normalerweise für den Soloflieger ganz gut ist, wurde für uns nun zum „no go“. Ein Startversuch auf dieser Höhe und diesem Gelände kam mit dem „Minischirm“ einfach nicht in Frage. Und obwohl wir beide ob des langen Abstieges wussten, entschied ich mich gegen das Fliegen.
Nach einem sehr wehmütigen letzten Blick zurück Richtung Chamonix („Verdammt, wir wären in 25 Minuten nach einem Mörderflug über 3.200 Höhenmeter da unten beim TAB!“), wendeten wir uns nach Süden und stiegen Richtung Val Verret ab. 5,5 Stunden später und 2.800 Meter tiefer tranken wir dann gleich zwei TAB`s hintereinander und checkten gleichzeitig ein Taxi in einer Gastwirtschaft. Die Fahrt zurück durch den Mont Blanc Tunnel und zu Dani nach Hause bescherte uns schlussendlich einen mehr als ausgefüllten 23 Stundentag...
Ein großes „Vergelt`s Gott“ unserem Herrn und ein großes „Dankeschön“ an meinen Partner Dani, der mich alten Sack ans Seil genommen hat und auch mit mir mitgeflogen ist!
Vor über dreißig Jahren durchstieg Christophe Profit die Nordwände von Eiger, Matterhorn und Grandes Jorasses...
„second step is done…“
Text und Fotos:
Michl Kraeftner, www.bergtraum.at
Besonders bedanken wir uns für die Unterstützung bei:
Mammut
Dynafit
Airdesign
Alle Details zur Route Grandes Jorasses - Leichentuch mit Direktausstieg findet ihr hier