Firn- und Eistouren rund um den höchsten Berg Österreichs
Das Eisklettern im Glocknergebiet hat eine große Tradition. Bereits am 18.8.1876 ließ sich Markgraf A. Pallavicini von drei Kalser Bergführen durch die dann nach ihm benannte Rinne in der Nordwand des Großglockners auf den 3798 m hohen Gipfel führen. Dabei wurden von J. Tribusser, der die ganze bis 55° steile Rinne alleine vorstieg, nicht weniger als 2.500 Stufen in das im Spätsommer bereits blanke Eis geschlagen. Die Begehung erfolgte damals natürlich ohne Eisschrauben – diese wurden erst 1924 von Wilhelm Wenzelbach verwendet – und auch ohne Frontzacken bei den Steigeisen. Es dauerte 23 Jahre bis die Rinne ein zweites Mal bezwungen wurde. Heute mit modernster Ausrüstung steht die Pallavicini Rinne oder kurz `Pala’ ganz oben auf der Wunschliste der ambitionierten Eiskletterer.
Gerade für den Einsteiger viele ideale Ziele
Das Eisklettern im Glocknergebiet findet jedoch nicht nur in den imposanten Nordwänden des Großglockners statt. Die umliegenden Berge bieten gerade für den Einsteiger in diese Disziplin sehr gute Möglichkeiten. Der ideale Stützpunkt ist die Oberwalderhütte auf 2973 m. Alleine der morgendliche Blick in die noch kurz von der Sonne beschienenen Nordostwände des Großglockners oder in die ins Abendrot eintauchende Fuscherkarkopf Nordwand lassen das Herz jedes Eisgehers höher schlagen.
Sehr früher Aufbruch ist angesagt
Doch vorbei mit dem Träumen. Es ist 3 Uhr früh, wir sind wieder einmal in der Biwakschachtel am Glocknerkamp. Ein Blick aus der Schachtel lässt uns wieder in die muffigen Decken versinken. Schlechtwetter mit leichtem Schneefall und absolut null Sicht. Um acht Uhr schaut die Sache dann etwas besser aus, die Sicht ins Tal und in die Mayerl Rampe, unser Tagesziel, ist frei und es kann losgehen. Nach wenigen Minuten sind wir am Einstieg und gehen seilfrei bis zum Beginn der eigentlichen Rampe. Jetzt sind wir vor dem Steinschlag etwas besser geschützt. Die Kletterei ist jetzt einfach toll, Blankeis mit 60° bis 70°. Wir setzen immer 10 m nach dem Stand die obligatorische Schraube, um einen Sturz in den Stand vorzubeugen, und gehen Seillänge für Seillänge aus. So kommen wir rasch voran. Es beginnt wieder zu schneien und der NW Grat auf den Gipfel erinnert an eine Winterbegehung. Doch ganz oben sind wir wie immer nicht alleine. Zügig geht es zur Adlersruhe mit seiner Erzherzog Johann Hütte, 3454m, weiter übers das Hofmannskees zurück auf die Pasterze und wieder heim nach Wien. Nun haben wir auch die letzte Eisrinne am Glockner gemacht.
Oberwalderhütte als Trainingszentrum für Nordwandtiger
Ein Jahr später führen wir wieder bei einem ÖAV-Eiskurs auf der Oberwalderhütte. Es ist das beinahe schon klassische Programm. Die ersten Schritte werden auf der Pasterze gemacht, dann folgt die Gr. Bärenkopf Nordwand, die Johannisberg Nordostwand auf verschieden steilen Routen. Vor einem Frühstück erlauben wir uns wieder einen Ausflug durch die FKK (Fuscherkarkopf) Nordwand, wobei der schönste Teil der Tour der Abstieg über den plattigen NW-Grat ist. Am letzten Tag geht es dann mit den Kursbesten in die Hohe Riffl Nordwand. Der Abstieg über den verschneiten NW–Grat zu den Toten Löchern ist immer etwas Besonderes. Als Führer verspürt man jetzt ein zartes Kribbeln im Bauch. Wie schaut dieses Jahr die Randkluft aus? Wie ist es mit dem Steinschlag? Doch die Verhältnisse passen und die erste Wandhälfte bis knapp 50° wird von den Teilnehmern eigenständig, souverän geführt. Auch hier gilt immer: Stand an zwei Eisschrauben und nach 10 m eine Schraube, egal wie steil die Wand ist.
Auch unbekanntere Anstiege wurden erkundet
In den letzten Jahren haben wir noch einige eher unbekannte Anstiege erkunden können. Die Schneiderrinne Light ist eine kurze und eisklettertechnisch sehr interessante Möglichkeit durch die Nordabbrüche des Glockners. Aber auch die anspruchsvolle Abenteuernordwand des Schattseitköpfels konnten wir endlich in unser Tourenbuch eintragen – am selben Tag gelang uns noch die selten mögliche Romariswandkopf Nordwand und die kurze aber wunderschöne Teufelscamp Nordwand.
Inzwischen haben wir, wie ihr auch auf www.bergsteigen.at nachlesen könnt, fast alle Firn- und Eiswände in den Ostalpen gemacht, doch wird es uns auch dieses Jahr sicherlich wieder auf die Oberwalderhütte ziehen, denn hier sind Möglichkeiten und das Ambiente einfach unschlagbar.
Download: Glocknernordseite - PDF mit allen Routen (115kb)
In der Folge stellen wir euch die wichtigsten Firn- und Eisanstiege im Glocknergebiet kurz vor. Wir haben Sie in drei Gruppen, leichte, schwierige und sehr schwierige Anstiege unterteilt.
Übersicht der Firn- und Eisanstiege beim Großglockner
Leichte Anstiege:
Eiswandbichl Nordwand
Firnanstieg bis 45°, 100 m, 30 min.
Netter Übungsanstieg in unmittelbarer Hüttennähe. Man erreicht ihn in 30 min über die Bockkarscharte.
Reiner Eisanstieg, 40°, 200 Hm, 1 – 2 Stunden.
Die Nordwand selbst ist oben schon völlig ausgeappert. Eine sichere Begehung kann daher nur am östlichen Rand – hier ist die Wand auch etwas flacher – erfolgen.
Zugang von der Oberwalderhütte über Bockkarscharte und Keilscharte auf das Östliche Bärenkopfkees (1,5 Stunden). Der Abstieg erfolgt über den Westgrat zurück in die Keilscharte.
Reiner Eisanstieg, Stellen bis 50°, 260 Hm, Zeit: 1 – 3 Stunden.
Der Anstieg durch die Nordostwand wird oft von Anfänger-Eiskursen gemacht und eignet sich gut für die ersten Schritte im steileren Eis. Man kann sich die Steilheit durch ausqueren bzw. Auswahl des entsprechenden Wandteiles selber „regulieren“.
Zugang erfolgt von der Oberwalderhütte. Vor der Ödwinkelscharte links in die Wand einsteigen. (1,5 Stunden). Der Abstieg kann beliebig über Südostgrat, Südflanke oder etwas steiler über Nordwestgrat erfolgen.
Firn und Eisanstieg, 45°, 450 Hm, Zeit : 2 – 4 Stunden.
Klassischer Firn- und Eisanstieg der auch gerne mit Skiern befahren wird. Die FKK Nordwand leidet schon sehr unter dem Temperaturanstieg. Eis findet man nur auf den letzten Metern unter dem Gipfel. Der Felsriegel im oberen Wanddrittel, früher ein Eiswulst wird unschwierig überklettert. Steinschlaggefahr.
Die FKK-NW wird durch ihre Hüttennähe auch oft zum "Drüberstreuen" gemacht. Die magische Marke Oberwalderhütte – FKK-Nordwand – Oberwalderhütte liegt bei 1,5 Stunden.
Zugang über Wasserfallwinkelkees in die Fuscherscharte und weiter direkt zum tiefsten Punkt der Wand (30 min).Der Abstieg erfolgt am schönsten über den plattigen NW Grat zurück in die Fuscherkarscharte.
Firnanstieg, Stellen bis 45°, 450 Hm, Zeit: 2 – 6 Stunden.
Interessanter Firnanstieg den man am besten von der Ödwinkelscharte aus erreicht (3 Stunden). Die Schwierigkeiten werden sehr von den Verhältnissen bestimmt. Es kann auch kombiniertes Gelände (Eis u. Fels) sein.
Firnanstieg, Stellen bis 45°, 250 Hm, Zeit: 3 Stunden.
Sehr schöne Routenkombination rund um das Eiskögele und den Schneewinkelkopf – eine lange Tour die vor allem landschaftlich einiges zu bieten hat.
Reiner Eisanstieg mit Stellen bis 50°, 100 Hm, Zeit 45 min.
Sehr kleine aber dafür reine Eiswand neben dem Großglockner. Als einzelne Tour vielleicht eher unlohnend aber gut mit anderen Routen zu kombinieren.
Schwierige Anstiege:
Pallavicini Rinne (Linke Nordostrinne)
Reiner Eisanstieg mit Stellen bis 55°, 600 Hm, Zeit 2 –6 Stunden.
Der Einstieg ist bereits stark ausgeappert und weist nur noch eine schmale Eisspur auf. Danach folgen 400 m blankes Eis bzw. bis in den Frühsommer oft Firn. Die Route führt direkt in die obere Glocknerscharte. Die letzten 100 m sind oft ausgeappert und weisen alte Standplätze auf. Von der Oberen Glocknerscharte in wenigen Minuten zum Gipfel.
Die Tour ist stark steinschlaggefährdet. Eine Begehung empfiehlt sich daher nur bis in den Frühsommer. Danach sind die objektiven Gefahren sehr hoch.
Der Zugang erfolgt von der Biwakschachtel über Inneres Glocknerkar (45 min).
Bergler Rinne (Rechte Nordostrinne)
Reiner Eisanstieg, Stellen bis 50°, 460 Hm, Zeit 2 – 6 Stunden.
Neben der Pala der zweite große Klassiker im Glocknergebiet. Der Anstieg endet auf der großen Firnschulter (Grögerschneide 3360m). Ab hier folgt man dem NW Grat (Stellen bis III, keine Haken) noch rund 150m bis zum Gipfel des Großglockners.
Auch diese Tour ist stark steinschlaggefährdet. Auch hier ist daher von einer Begehung nach dem Frühsommer abzuraten.
Der Zugang erfolgt von der Biwakschachtel über Inneres Glocknerkar (20 min).
Firn- und Eisanstieg, Stellen bis 60°, 350 Hm, Zeit: 3 Stunden.
Ein rassiger und toller Anstieg der auch oft im Rahmen von Ausbildungskursen gemacht wird. Im unteren Drittel Firn, dann aber blankes Eis. Im Vergleich zu den Glocknerwänden noch relativ steinschlagsicher, da die Wand auf einem Streifen von 150m bis zum NW Grat reicht (keine Felsen beim Ausstieg aus denen sich Steine lösen können - einzig der Einstieg über den Gletscher heikel).
Der Zugang erfolgt vom Gipfel durch Abstieg über den NW Grat bis zum Rifflsattel. Von hier quert man über den `Toten Löchern` unter die Wand. Oft wird auch über die Wand bis ins untere Drittel abgeseilt. (3,5 Stunden von der Oberwalderhütte).
Firn – und Eisanstieg, Stellen bis 70° u. 1-, 350Hm, Zeit: 3 – 4 Stunden.
Ein kurzer aber rassiger Anstieg den man durch extreme Linienwahl auf 70° neigen kann. Wer noch Lust hat kann von der Schneewinkelscharte die Romariswandkopf Nordwand (Firnwand 250m, bis 55° u. II) anhängen.
Die Abstiege sind aber in beiden Fällen sehr spaltenreich!
Firn- und Kombikletterei, Stellen bis 60° und II, 200 Hm, Zeit: 2 Stunden.
Das Schattseitköpfl steht etwas unscheinbar vor der Hohen Riffl und verbirgt auf der "Schattseite" eine kurze aber nicht uninteressante Abenteuer-Firnwand.
Reiner Eisanstieg, Stellen bis 75°, 400 Hm, Zeit: 3,5 Stunden.
Interessante Route im Bereich der leider schon völlig ausgeaperten Schneiderrinne. Die Linie umgeht den reinen Felsteil und fügt oben noch ein steiles Blankeisstück dazu.
Sehr schwierige Anstiege:
Firn- und Kombikletterei, Stellen bis 55° und II., 250 Hm, Zeit: 2 Stunden.
Der Romariswandkopf hat Ähnlichkeiten mit den Glockner Nordwandrouten, nur sind die Anstiege hier etwas kürzer. Nur bei wirklich guten Firnverhältnissen zu empfehlen - auch hier ein spaltenreicher Abstieg!
Reiner Eisanstieg, Stellen bis 70°, 500 Hm. Zeit: 2 – 4 Stunden.
Der steilste aber objektiv sicherste Anstieg in der Glockner Nordwand. Wenn man den nach 150 m die eigentliche Rampe, die fast immer Blankeis aufweist erreicht hat, ist man auch vor dem Steinschlag relativ sicher. Ein Geheimtipp für gute Eisgeher.
Der Zugang erfolgt von der Biwakschachtel über Inneres Glocknerkar (15 min).
Theo Riml Gedenkweg (Nordostwand Eisnase)
Reiner Eisanstieg, Stellen bis 90°, 350Hm, Zeit: 2 – 4 Stunden.
Dieser von K. Hoi 1984 erstbegangene Anstieg weist die höchsten eistechnischen Schwierigkeiten auf. Der Anstieg ist zwar relativ steinschlagsicher, doch klettert man an einem senkrechten Hängegletscher der auch abbrechen kann und zeitweise auch über der eigentlichen Wand große Querspalten aufweist.
Der Zugang erfolgt von der Biwakschachtel über Inneres Glocknerkar (1 Stunde). Abstieg über Adlersruhe.
Einige Hinweise:
- Für alle Anstiege der Großglockner Nordwand und den Fuscherkarkopf gilt, dass eine Begehung im Hoch- und Spätsommer objektiv sehr gefährlich (Steinschlag) und daher auf den Frühsommer verlegt werden sollte.
- Die Glockner Nordanstiege sollten nicht ohne Zwischenstation in der Biwakschachtel gemacht werden. Der direkt Aufstieg von der Erzherzog-Johann-Höhe ist nur etwas für extrem konditionsstarke Bergsteiger (Top Level).
- Alle Zugstiege erfolgen über spaltenreiche Gletscher und verlangen eine entsprechende Seilsicherung.
- Für alle Anstiege ist komplette Eisausrüstung erforderlich, wobei die neuen Steileisgeräte für das Sichern im Firn (Toter Mann od. eingerammter Pickel) nicht geeignet sind.
- Kompass, Karte und Bussole mitnehmen.
Stützpunkte:
OBERWALDER HÜTTE, 2973m
Oesterreichischer Alpenverein, Sektion Austria
Pächter: Peter Fleissner-Rieger, Ranach 6, A-9843 Großkirchheim,
Tel. 0043 / (0)4825 / 6116
Tel. Hütte: 0043 / (0)4824 / 2546
Bewirtschaftet Mitte Mai - Ende September
Schlafplätze: 46 Betten, 63 Lager, Winterraum mit 10 Lagern
(AV-Schlüssel notwendig)
Idealer Stützpunkt für fast alle Eistouren im Glocknergebiet. Zugang von der Erzherzog Johann Höhe über Gamsgruben Weg in 2 h.
Glockner-Biwakschachtel, 3260m
Am „Glocknerwandkamp“ (Glocknerwand NO-Grat). Ausgangspunkt für die Glockner Nordanstiege. 8 Plätze. Von der Franz Josefs Höhe in 3 Stunden über Hoffmannshütte, Pasterze. An schönen Frühsommertagen oft total überfüllt.
Karten:
Kompass: Glocknergruppe NP Hohe Tauern Nr. 39
ÖK 153 Großglockner
AV-Karte Nr. 40 Glocknergruppe
Führer:
Firn- und Eisklettern in den Ostalpen – hier sind die meisten guten Touren sehr gut beschrieben.
Online www.bergsteigen.at oder AV Führer End/Peterka Glockner- und Granatspitzgruppe.
Kurstipp:
Der zum Klassiker gewordene Eiskurs der ÖAV Sektion Austria findet vom 23. - 29.7. auf der Obwalderhütte statt und bietet eine fulminante Mischung aus Kurs- und Tourentagen.....mehr
Webtipps:
Glocknerhochalpenstraße - mit Infos zur Straßenöffnung und Webcams auf Fuscherkarkopf-NW und Glocknernordseite.