Deep Blue Sea – so heisst die steile und nur spärlich abgesicherte Kletterroute am Genferpfeiler in der Eigernordwand. Bisher wurde diese 320 Meter lange Route nur im Sommer begangen – denn selbst bei Temperaturen von 30 Grad im Flachland muss man sich dort warm anziehen.
Bereits vor einem Jahr habe ich versucht, diese Route ohne Sturz im Winter zu klettern – ich scheiterte kläglich. Der Fels war dermassen kalt, dass ich mich immer etwas mehr als nötig festgehalten habe und bei den teils sehr langen Seillängen verlor ich komplett das Gefühl in den Fingern. Es war eine ernüchternde Erfahrung – denn ich war einfach nicht fit genug.
«Hier kann man nicht mit Hand- und Bergschuhen klettern, sondern mit Kletterschuhen und blossen Händen.»
Aber bei diesem einen gescheiterten Versuch sollte es nicht bleiben. Ein Jahr später wollte ich alles besser machen und mich erneut der Herausforderung stellen. Mir war klar, dass ich nur eine Chance haben würde, wenn ich nicht ein weit höheres Kletterniveau habe als der geforderte untere neunte Grad. Bei der stets überhängenden Deep Blue Sea handelt es sich um eine schwere Felsroute – hier kann man nicht mit Hand- und Bergschuhen klettern, sondern mit Kletterschuhen und blossen Händen. Darum braucht es auch einen „warmen“ Wintertag dafür. Am 27. Dezember 2015 war es dann endlich soweit: Die Bedingungen waren „perfekt“ bei minus 3 Grad und nur wenig Südwestwind.
Der bis jetzt schneearme Winter machte den Aufstieg zum Genferpfeiler sehr angenehm. Begleitet wurde ich von meinem Freund Martin Echser. Das rüber queren zum Einstieg endete in einer ziemlichen Wühlerei. Der ganze Schnee von der Wand stapelte sich auf dem Band auf und es dauerte einige Zeit bis wir den Fels endlich berührten. Bergschuhe ausziehen, Kletterschuhe an, Handschuhe weg und dann ging’s los. Wir wollten genügend Zeit haben, darum kletterten wir die erste Seillänge noch mit Stirnlampe. Martin stieg mit Steigklemmen nach. Und so ging es weiter, Seillänge um Seillänge. Zum Glück hatte ich etwas Reserve beim Klettern, denn auch wenn die Finger beim Losklettern warm waren, ging es nur einige Meter bis die Kälte in sie eindrang. Dann hiess es an einem grösseren Griff die Hände schütteln, Zähne zusammenbeissen und weiterklettern.
«Ich hatte hart trainiert, durchgebiessen und niemals aufgegeben.»
Während ich bei meinem letzten Versuch bei der Schlüsselseillänge stürzte, schaffte ich es dieses Mal auf Anhieb ohne Sturz durch alle neun Seillängen und erreichte den Gipfel. Es war überwältigend! So lange war dieses Projekt in meinem Kopf, so viele Zweifel und Unsicherheiten kamen auf, so hohe Erwartungen hatte ich an mich selbst gestellt. Ich hatte hart trainiert, durchgebissen und niemals aufgegeben. Aber für diesen puren Moment von Glück und Zufriedenheit auf dem Gipfel war es all die Mühe wert.
Danis ersten Versuch in Deep Blue Sea könnt ihr Schweizer Fernsehen auf SRF 2 im Rahmen der "Winterchallenge" am Mittwoch, 24. Februar 2016, um 23 Uhr sehen.
Quelle: Mammut/Dani Arnold
Routeninfo Deep Blue Sea
Berg: Eiger Nordwand/Genfer Pfeiler
Schwierigkeit: (7b+, 7a obl.) - 9 SL,
Routenlänge: 320m
Erbegeher: Ruhstaller/Rathmayr 2001/2002
Erste Free Base Solo Begehung: Dean Potter 2008 (mehr)
Erste Winter Rotpunkt Begehung: Dani Arnold 27.12.2015
Material: 12 Express, Camalots 0.3-1 evtl. 2.
Charakter: Fast durchgehend überhängende, athletische Kletterei in vorzüglichem, griffigem Fels mit Henkeln, Leisten, Tropfloch-Kratzern und teilweise grossen, sloprigen Löchern. Linie, Erlebniswert und Ausgesetztheit sind einmalig. Die Absicherung ist als eher fordernd zu bezeichnen: es stecken solide Bolts, welche die Schlüsselstellen gut absichern, für Wiederholer fair platziert sind und gefährliche Stürze ausschliessen. Die Abstände sind aber eher gross, und die Kletterei dementsprechend kühn.