Da ich schon mehrmals im Sommer im hohen Norden war wurde zwischen Manfred und mir die Idee geboren diesen Winter nach Norwegen zum Eisklettern zu fahren.
Für Norwegen gibt es nur für ein Tal einen publizierten Eiskletterführer: „Heavy Water“ in Rjukan. Nicht nur „schweres Wasser“ fürs Eisklettern sondern auch geschichtliches – im 2. Weltkrieg wollte man es für die Erzeugung einer Atombombe verwenden. Dementsprechend wurde darum gekämpft. Einige weitere Infos, Topos, udgl konnten im weltweiten Netz gefunden werden. Für einen großen Teil Norwegens gibt es jedoch keine Informationen über Eisfälle.
Unsere Vorbereitungen für diese Reise wurden auch von einem anderen Gedanken begleitet: würden wir gute Eisverhältnisse vorfinden? Witterungs- und Temperaturauskünfte erbrachten auch für Norwegen einen „sommerlichen“ Winter. Öfters mehrere Tage hintereinander Temperaturen im Plusbereich, kurze Kälteperiode dann wieder warm.
Die höchsten Berge sind ca 2.300 Meter hoch, Vergletschert und aus kristallinem Gestein. Deshalb gibt es in diesem Land Wasserfälle in Hülle und Fülle! Die Wasserfälle befinden sich in einer Seehöhe von 0 bis ca 1.600 Metern.
Nachdem der Flug, das Mietauto und die Unterkünfte in gemütlichen Hütten reserviert waren starteten wir am 22. Februar nach Oslo. Drei Autostunden später befanden wir uns bei unserer ersten Hütte in Gol/Hemsedal.
Dies sollte nun für eine Woche unsere Unterkunft sein. Bei der Fahrt dorthin stellten wir jedoch fest, dass sich die Infos betreffend positiver Temperaturen auch genauso ausgewirkt hatten wie wir vermuteten. Überall neben den Straßen lagen Eisteile von zusammengebrochenen Eisfällen!
In etwas getrübter Erwartung begaben wir uns am nächsten Tag auf Erkundungstour und unsere Befürchtungen, keine kletterbaren Eisfälle vorzufinden, wurde nicht bestätigt! Von der Straße aus sahen wir einige Eisfälle und konnten von anderen Eiskletterern Infos einsammeln.
Beim ersten Zustieg (Einschätzung max 20 Minuten) machten wir mit den norwegischen Schneeverhältnissen bekanntschaft. Ein Schritt wurde von der Schneeoberfläche getragen, die nächsten sanken wir bis zur Hüfte in grundlosen Schnee. Auf allen vieren kriechend gelangten wir nach 40 Minuten zum Einstieg. Dann dafür Eis vom feinsten. Angenehme Temperaturen, perfekte Verhältnisse und dies alles in einer atemberaubenden Landschaft – das ist Eisklettern in Norwegen!
Am dritten Tag gelang uns, nach einstündigem Zustieg mittels geliehener Schneeschuhen, die Begehung des „Hydnefossen“, 250 Meter, WI 6. Einer der bekanntesten, publizierten Fälle Norwegens und ein „must have!“. Nach einem Erholungstag beim Schifahren im Hemsedal-Skicenter wurden wieder zwei intensive Klettertage durchgeführt.
In der Schlucht bei Gol (10 Minuten Autofahrt ab Zentrum und 5 Minuten Zustieg) findet man alles, was das Eiskletterherz begehrt. Ab WI 4 - 5 und M 6 aufwärts sowie Dry-Toolingrouten ist für jeden Eisfreak etwas dabei. Das Wetter war schön, wenig Wind, die Temperaturen angenehm – es war ein Traum, zwischen den Eiszäpfen und Säulen zu steigen, fließende Kletterbewegungen zu spüren, schwierige Eis- und Felsstellen zu meistern, Fotografieren, andere Eiskletterer zu treffen, Grillen im Schnee und am Abend ein 0,4 Liter Bier im Hotel für ganze 9,50 Euro zu genießen!
Alkohol und Essen im Hotel sind im Verhältnis zu Österreich sehr teuer. Das Essen in anderen Lokalen ist zu etwas höheren Preisen als bei uns zu haben. Alkohol kann man nur in Lokalen mit Schankrechten zu vorangeführten Preisen bekommen oder in sogenannten „Vinmonopolets“, und dies ist ebenfalls eher teuer. Nur Bier ist im Supermarkt zu moderaten Preisen erhältlich.
Nach diesen erfolgreichen ersten sieben Tagen fuhren wir weiter an den Sognefjord. Der längste Fjord Europas, der in das Landesinnere einschneidet. Auf Seehöhe war es aper und die Wiesen begannen schon grün zu werden. Das Wasser schoss über die sonnen beschienen Felsen und ergoss sich in den Fjord. 400 Meter höher blieb der Schnee liegen und ab ca 600 Metern Seehöhe war Eis in Hülle und Fülle vorhanden.
Wir konnten uns anfänglich nicht entscheiden, wo wir denn nun zu klettern anfangen sollten. Wir entschlossen uns dann für zwei Fälle die durch ihre interessanten Linien sehr auffällig waren. Der erste dürfte „Morkemannen“ (Erstbegehung Gatt/Spak) gewesen sein (sofern wir die Beschreibungen richtig gedeutet haben), der zweite Eisfall ist nicht bekannt, ob bereits eine Begehung stattfand. Überhaupt gibt es so viele Eisfälle, die auf eine Begehung warten. Jede Rinne, jeder Gully ist gefüllt von der kalten, heiß herbeigesehnten Materie Eis!!!
Die Norweger sind ein ruhiges Volk. Es gibt keinen Stress. Weder im Straßenverkehr noch beim Einkauf. Für sie kommt alles der Reihe nach dran und somit geht auch alles seinen Weg.
Nach diesen zwei intensiven Tagen (ca 500 Meter, bis WI 6+, M6) und einem letzten Glas Rotwein am Fjord war unser Ruhe- und zugleich Weiterreisetag nach Rjukan.
Die Straßenverhältnisse in Norwegen können sich schnell ändern. Es wird kein Salz gestreut und dementsprechend ist die Geschwindigkeit zu wählen. Außerdem gibt es nur um Oslo einige Kilometer an Autobahn. Das restliche Straßennetz ist äußerst kurvig und sehr oft müssen Fähren, welche die eine mit der anderen Fjordseite verbinden, genutzt werden.
Aufgrund des Eisführers ist Rjukan das bekannteste Eisrevier im Norden. Hier gibt es auf engstem Raum (15 Kilometer, ca 170 Eisfälle) für jeden etwas. Geneigtes Eis für Anfänger und Kurse ebenso wie schwierige Eis- und Mixedrouten.
Neben deutschen, schwedischen, und italienischen waren vor allem englische und schottische Eiskletterer vor Ort. Auch im Hallenbad, der Sauna und dem Außenwhirlpool drehte sich alles in diesem Tal ums Eisklettern. Hier konnten wir unseren Hunger nach steilem aber auch genussvollen Eis wiederum stillen.
Befriedigt von vielen Metern im Eis und Fels, beeindruckender Landschaft, gemeinsamen Erlebnissen, vielen schönen Bildern im Kopf und der Digitalkamera traten wir nach zwei Wochen in diesem traumhaften Land schweren Herzens wieder die Rückreise an.
Bericht und Fotos:
Klaus Jäger, Manfred Danglmaier