David Lama ist bekannt für bergsteigerische Höchstschwierigkeiten. Dani Arnold für unglaublichen Speed. Im Rahmen ihrer ersten Expedition nach Alaska konnten die beiden Jungalpinisten gleich eine spektakuläre Erstbegehung realisieren. Mit „Bird of Prey“ gelingt der Seilschaft in nur 48 Stunden die erste Route durch die zentrale Headwall an der 1500 Meter hohen Ostwand des Moose‘s Tooth, eine ebenso elegante wie anspruchsvolle Linie mit Schwierigkeiten bis 6a, M7+, 90°, A2.
Noch verstecken sich die Berge hinter einer dicken Wolkenschicht, als ein kleines Flugzeug Dani Arnold und David Lama am 10. April mitten auf dem Buckskin Gletscher, im Herzen von Alaska, absetzt. Für beide Alpinisten ist es die erste Expedition nach Alaska. Das Thermometer zeigt --20 bis --25 Grad. Es ist kalt, saukalt. Laut Einheimischen viel kälter als üblich zu dieser Jahreszeit.
Als sich der Nebel lichtet und der Mooses Tooth das erste Mal in seiner Gesamtheit zu sehen ist, sticht den beiden Kletterern sofort eine Linie ins Auge, die entlang eines komplexen Risssystems direkt durch die noch unberührte Headwall zum Gipfel führt. „Als erste Route in Alaska gleich an eine solche Erstbegehung zu denken ist sicher recht kühn und frech, aber diese Unvoreingenommenheit eröffnet einem oft Perspektiven und es entstehen Ideen die für eine solche Begehung notwendig sind.“ erklärt Lama.
Bereits zwei Tage nach Ankunft im Basecamp starten der 29--jährige Schweizer und der 22--jährige Österreicher um zwei Uhr in der Früh los. Lebhafter Wind verschärft die ohnehin schon tiefen Temperaturen, doch am Wandfuss angelangt zeigen sich nahezu perfekte Bedingungen. „David und ich hatten beide die gleiche Vorstellung bis zu welcher Schwierigkeit wir solo klettern können, so waren wir vor allem im unteren Drittel der Wand sehr schnell.“ erinnert sich Dani Arnold. Pünktlich zum Beginn der Schwierigkeiten erreicht die Sonne die Ostwand. Die Kälte als sonst stetiger Begleiter wird für ein paar Stunden etwas verdrängt, dafür wird die Wand immer steiler und schwieriger. David führt den ersten Teil, dann ist Dani an der Reihe: „Es hatte gerade zu wenig Eis zum Klettern, so musste ich erst alles Eis wegkratzen und meist in technischer Kletterei hoch. Ich zweifelte einen Moment, ob wir bei diesem langsamen Vorwärtskommen je den Gipfel erreichen würden. Aber Davids Optimismus wirkte ansteckend. So erklommen wir Meter um Meter.“
Davids Stärken im Fels ergänzen sich perfekt mit den Fähigkeiten des Eisspezialisten Dani Arnold. Die Wand aber wird immer abweisender. Oft meinen die beiden in einer Sackgasse zu stecken, finden dann aber immer wieder eine Möglichkeit weiter zu kommen. „Es war keine einzelne Seillänge die uns durch ihre Schwierigkeit besondere Mühe bereitete, vielmehr war es die zwingende Kombination vieler verschiedener Kletterstile bei schlechter Absicherung die den Anspruch der Kletterei ausmachte.“ erklärt David Lama.
Um 21.00 Uhr finden die beiden Bergsteiger dann ein kleines Band, auf dem sie die Nacht ausharren. Das mitgebrachte kleine Zelt bietet etwas Schutz vom Spindrift und der Kälte.
Mit den ersten Sonnenstrahlen klettern die beiden Ausnahmekönner weiter. Wieder müssen sie mehrmals durch Pendelquergänge die einzelnen Risssysteme miteinander verbinden. „Von unten sah das Gelände nicht so schwer aus, eher klassisch. Aber es war dann viel steiler und ausgesetzter als erwartet.“ so Arnold. Weitere Seillängen bringt David in zum Teil technischer Kletterei hinter sich. Vorsichtig klettert er an einer großen instabilen Schneewechte vorbei. Doch plötzlich bricht ihm eine Leiste aus. Mit seinem Rücken berührt er die Wechte und so fällt der hunderte von Kilogramm schwere Schneebrocken runter, direkt aufs Seil! Davids letztes placement hält und somit verläuft der Vorfall bis auf einen ausgebrochenen Haken am Stand glimpflich.
Um noch schneller voranzukommen lassen Dani und David das Zelt und ihre gesamte Biwakausrüstung zurück. Sie setzen alles auf eine Karte und sind somit gezwungen in einem push zum Gipfel und wieder zurück zu kommen. Die Wand ist immer noch steil und extrem ausgesetzt. Ausbrechende Steine fallen direkt ohne Aufprall bis in die Einstiegsschneefelder. Das Umklettern der großen Schneepilze gestaltet sich als tückisch und mühsam, vielleicht auch wegen dem Erlebnis mit der Schneewechte. Die letzten Seillängen im Eis sind wieder einfacher, fordern von den beiden aber noch einmal höchste Konzentration. „Der Schluss war mehr gefährlich als schwierig. Ich kletterte immer 60 Meter ohne Sicherung. Das Eis war hart und spröde. Ein Ausbruch eines Pickels hätte fatale Folgen gehabt.“ so Dani über die letzten Eislängen zum Gipfel.
Um 18.00 Uhr erreichen die beiden Alpinisten erschöpft aber glücklich den Gipfel. Hinter ihnen liegen 1500 Meter schwierigste Kletterei. Es hat immer noch --20 Grad und weil das Wetter am nächsten Tag umschlagen soll, müssen die beiden die halbe Nacht hindurch über die Route abseilen. Um 02.00 Uhr morgens, nur 48 Stunden nachdem sie aufgebrochen sind, erreichen Lama und Arnold wieder ihr Basecamp.
„Für mich ist die ‚Bird of Prey‘ die logischste Linie durch den steilsten und imposantesten Teil der gesamten Wand! Dass es uns gelungen ist den „leichtesten“ Weg durch diese beeindruckende Headwall zu finden, darauf sind Dani und ich schon ein bisschen stolz.“ so das Resümee von David Lama.
Facts
Route: Bird of Prey, 1500m, 6a, M7+, 90°, A2
David Lama (AUT) & Dani Arnold (CH)
Ost Wand des Moose`s Tooth, Denali Nationalpark, Alaska
12. – 14. April 2013
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