01 März 2014

Cerro Torre - nicht den Hauch einer Chance

2009 setzt sich der damals 19-jährige David Lama in den Kopf, den sagenumwobenen Cerro Torre, einen der schönsten und schwierigsten Berge der Welt, als erster Mensch frei zu klettern.

 CERRO TORRE – Nicht den Hauch einer Chance dokumentiert die überragende athletische Leistung, erzählt aber auch ganz authentisch und menschlich vom Scheitern und Davids langem Weg zu seinem Ziel.

In genau zwei Monaten sind die atemberaubenden Bilder dieser alpinistischen Errungenschaft in mehr als 40 Kinos im ganzen Land auf Großbildleinwand zu sehen. Im Interview spricht David Lama über die Herausforderung Cerro Torre...

Im Interview spricht David Lama über die Herausforderung Cerro Torre.

Wie kamst du auf die Idee zu diesem Projekt?

Natürlich kannte ich den Cerro Torre und die Geschichte der Kompressorroute. Zufällig habe ich ein Foto der Headwall gesehen, auf dem man Strukturen rechts von der Originalroute erkennen konnte, die kletterbar aussahen. Ich suchte eine Herausforderung, ein Projekt, von dem ich nicht wusste, wie es ausgehen würde. Denn ich habe für mich herausgefunden, dass es mir schwerfällt, mich für kleinere Projekte zu motivieren, von denen ich schon weiß, dass sie möglich sind. Die Sachen, die mich wirklich reizen, haben den „Faktor des Unmöglichen“.

Hat dein Ehrgeiz etwas damit zu tun, dass du als Kind in Tirol durch dein Aussehen aufgefallen bist und es deswegen den anderen zeigen wolltest?

Ich hab das Klettern sehr früh entdeckt - ob das jetzt irgendetwas mit meinem  Aussehen zu tun hat, weiß ich nicht. Ich glaube, dass viele Menschen etwas bewegen oder sich profilieren wollen, weil sie dadurch das Gefühl haben, etwas hinterlassen zu können. Vielleicht ist es das Streben nach der Unsterblichkeit oder so etwas. Und für mich sind in den letzten Jahren die Erstbegehungen interessant geworden. Die Idee einer Erstbegehung und ihre tatsächliche Umsetzung sind für mich nicht nur eine sportliche Leistung, sondern sozusagen ein gedankliches Vermächtnis.

Ihr habt viel Kritik einstecken müssen für die Bohrhaken und Fixseile des Filmteams, die später ja abgebaut wurden. Aber wäre es für euch nicht viel unkomplizierter gewesen, die Tour einfach nur zu klettern - ohne Filmteam und den ganzen logistischen Apparat?

Ja, es wäre auf alle Fälle leichter gewesen. Es ist immer leichter, wenn man sich nach niemandem richten muss außer nach sich selbst. Aber in dem Filmprojekt sah ich eine Chance, die sich nur einmal im Leben ergibt und mir war klar, dass etwas Außergewöhnliches entstehen könnte. Dennoch hatte das Freiklettern für mich stets erste Priorität: hätte das Filmprojekt abgebrochen werden müssen, hätte das an meinen Plänen nichts geändert.
Was den Film betrifft war mir vor allem wichtig, dass er authentisch dokumentiert, was wir dort oben erleben. Während des Kletterns war das ganze zusätzliche Gewicht (Kamera, Ton, Akkus usw.) manchmal nervig, aber wenn ich mir jetzt den Film ansehe, hat sich dieser Aufwand gelohnt.

Welches war der schönste Moment in dem Projekt und welches der schlimmste?

Der beste Moment war der, als Peter und ich zum ersten Mal 2011 auf dem Gipfel standen. Das hat in mir persönlich wirklich viel verändert. Unsere Heimreise stand schon an und es schien so, als würden wir auch im zweiten Jahr den Gipfel nicht erreichen, von der Freikletterei ganz zu schweigen. Ich hatte das Gefühl, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Auch deshalb haben wir es einfach probiert, obwohl eigentlich alles gegen uns sprach. Als wir dann den Gipfel erreichten, war es mir egal, ob ich frei geklettert bin oder technisch, ich fand’s einfach nur cool, da oben zu stehen. Das war der Moment, in dem ich begann, weniger als Kletterer sondern als Alpinist zu denken.

Am schwierigsten war für mich persönlich, die Bohrhaken-Kontroverse nach dem ersten Jahr zu bewältigen. Weder hatte ich diese Bohrhaken gebohrt, noch brauchte ich sie für mein Freikletterprojekt. Trotzdem schien die ganze Kletterwelt sauer auf mich zu sein. Mit dieser Situation war ich überfordert: weniger mit der Tatsache, dass jemand sauer auf mich war, sondern damit zu begreifen, warum. Es brauchte einige Zeit bis ich mir eingestehen konnte, dass der Grund des ganzen Ärgers doch in meinem Verantwortungsbereich lag. Gäbe es nicht mein Freiklettervorhaben, gäbe es kein Filmprojekt: also bin ich letztendlich auch verantwortlich dafür, dass alles richtig gemacht wird.

Du selbst warst die ganze Zeit auf die eigentliche Kletterei fixiert. Wie ging es dir mit der Filmerei und dem Team, das dabei war?

Es gab Zeiten, in denen ich gedacht habe, vielleicht zeigen die mich ganz anders als ich das will. Ich hatte aber sehr großes Vertrauen in die Jungs - Philipp (Manderla), Guido (Kruetschnigg) und auch in Dirni, den Regisseur.

Die Leute von Red Bulls Athletes Special Projects, die mich seit Jahren betreuen, mussten im Gegenzug Vertrauen in mich haben. Gerade nach dem ersten Jahr sah es ja nicht rosig aus, aber alle Beteiligten haben weiter an mich und das Projekt geglaubt.
Alle, die hinter dem Freiklettervorhaben am Cerro Torre standen, sind mit dem Projekt genauso gewachsen wie ich selbst. Über die Jahre haben sich ein paar richtige Freundschaften entwickelt, und auch die Zeit, die ich im Schnitt verbracht habe, war richtig cool. Ich bin wirklich sehr happy mit dem Film.

Wie sieht deine Zukunft aus?

Meine Zukunft sehe ich in den großen Bergen der Welt. Mich reizen Sachen, die noch keiner gemacht hat am meisten. Ich bin gerade aus Pakistan zurückgekommen. Peter und ich haben uns die noch unbestiegene Nordostwand des Masherbrum angesehen. Ich kann mir im Moment keine größere alpinistische Herausforderung vorstellen als diese Wand. Ich glaube fest daran, dass man durch diese Wand klettern kann, aber es ist auf jeden Fall ein Grenzgang. Das könnte also wieder ein längeres Projekt werden, mit ähnlich viel Herzblut wie am Cerro Torre.


Das Buch zum Film ‚FREE – Der Cerro Torre, das Unmögliche und ich’ ist im Knaus Verlag erschienen.

Trailer CERRO TORRE – Nicht den Hauch einer Chance (1,45 MIn.)

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