Super Kletterei im zentralen Teil des Pfeilers (c) Archiv Alexander Huber
07 November 2016

Carpe Diem

Alexander Huber, Mario Walder, Bruno Schneider und Christian Zenz gelingt eine Erstbegehung in der Arktis

Aus Informationen von Expeditionen vor 16 Jahren wählten wir unsere Ziele aus und diesen einen Satz aus dem damaligen Bericht von Alex Fidi werden wir wohl nie vergessen.... „17.7.2000 Skitour auf den höchsten Gipfel Kulusuks“...

Das Abenteuer beginnt 

Anfang Juli erreichen wir nach einem zwei Stunden langen Flug von Island aus den Flughafen der kleinen Insel Kulusuk. Das Tor zu Ostgrönland. Anders als für unsere Freunde, die Mitte Juli vor 16 Jahren hier ankamen, steht hier keine Skitour zur Disposition - bei 20 Grad plus gibt es nicht den Hauch von Schnee. Dafür ist das Wetter herrlich! Ein Inuit bringt uns mit seinem Boot zum letzten Ort namens Sermiligaaq. Gut ausgerüstet mit Skitourenschiern und Zugschlitten (Pulkas) planten wir, unser Material über den Karale Gletscher zum Deep Freeze Pass und dann weiter auf den 16. Sept. Gletscher zum Aufstieg des Tupilak zu transportieren. Aber die Gletscher sind in einem unvorstellbaren Ausmaß blank. Kein Schnee, kein Firn, die Schi sind der sinnloseste Ausrüstungsgegenstand der Expedition. Sie werden bis zum Ende der Reise nicht zum Einsatz kommen.

Durch das Ziehen auf dem blanken Eis, beginnen bereits nach zwei Tagen Schinderei unsere Pulkas zu brechen und wir haben erst ein knappes Drittel unseres Weges hinter uns!!! Müde und ein wenig frustriert beschließen wir ein Lager direkt am Fuße des Ritterknecht einzurichten. An den folgenden zwei Tagen sondieren wir die Möglichkeiten und schnell steht fest, dass ein Weiterkommen auf den aufgeweichten Gletschern unmöglich ist. Gletscherspalten unglaublicher Dimension und selbst in höheren Lagen kaum mit Schnee bedeckt sowie Temperaturen über 20 Grad geben uns keine Chance. No way…

Bildergalerie: Carpe Diem, eine Erstbegehung in der Arktis 

Der Ritterknecht mit seinem Ostpfeiler den wir knapp links der Skyline (c) Archiv Alexander Huber
Super Kletterei im zentralen Teil des Pfeilers (c) Archiv Alexander Huber
Die tiefeingeschnittenen Fjorde sind als Wasserstraßen der Zugang zu den Bergen Ostgrönlands (c) Archiv Alexander Huber
Eisberge an den Küsten Ostgrönlands(c) Archiv Alexander Huber
Alexander Huber (vorne) und Team auf dem Karalegletscher.(c) Archiv Alexander Huber
Bruno Schneider, Alexander Huber, Christian Zenz und Mario Walder (v.li.n.r.) (c) Archiv Alexander Huber
Im Zustiegscouloir zum Ostpfeiler (c) Archiv Alexander Huber
Der Eisnstieg zum Pfeiler. Der Mario klettert los, Alexander sichert...(c) Archiv Alexander Huber
Alexander in der wunderschönen Verschneidung, die zum Ende des ersten Pfeiler führt (c) Archiv Alexander Huber
Steil und wild wirkt oft der Gneis des Ritterknecht, hier am Pfeiler ist er aber von exzellenter Qualitä (c) Archiv Alexander Huber
Der Bruno auf dem ersten Pfeilergipfel.Im Hintergung sehen wir den großen Fjord, über den wir zum Karalegletscher gekommen sind (c) Archiv Alexander Huber
Mario im zweiten Aufschwung des Pfeilers (c) Archiv Alexander Huber
Der Fels in seiner ganzen Farbenpracht... (c) Archiv Alexander Huber
Der Gipfelaufbau vom zweiten Pfeilergipfel aus gesehen schaut anspruchsvoll aus. Ein wilder Grat mit diversen Türmen ist das würdige Finale zu unserem Pfeiler. (c) Archiv Alexander Huber
Nach wie vor ist der Fels fest, steil und bunt...(c) Archiv Alexander Huber
Jetzt isses nimmer weit, ein letzter Aufschwung noch...(c) Archiv Alexander Huber
...und dann fehlen nur noch wenige Meter. Der Bruno blickt auf die Sonnenseite des Lebens! (c) Archiv Alexander Huber
Der Bruno, der Mariio und der Grisu am Gipfel des Ritterknecht...(c) Archiv Alexander Huber
Die Sonne steht schon tief als wir mit dem Abstieg beginnen.(c) Archiv Alexander Huber
Der Nordgrat, über den wir abklettern ist nicht wirklich schwierig, aber unheimlich lang...(c) Archiv Alexander Huber
Der Mario auf einem der letzten Grattürme bevor wir den Gletscher erreichen...(c) Archiv Alexander Huber
Der Vollmond am Mitternachtshimmel...(c) Archiv Alexander Huber
Bei der Rückreise über Tasiilaq wird es erstmals wieder richtig dunkel und zeigt auf das Ende des polaren Sommers hin.Und vielleicht wird´s dann auch mal in der Arktis wieder richtig kalt...(c) Archiv Alexander Huber

Neuer Plan - neues Glück 

Alexander war im vorigen Winter schon in dieser Gegend unterwegs. Vom gegenüberliegenden Gipfel fiel ihm der gewaltige unbestiegene Ostpfeiler des Ritterknecht auf. Als Zustieg zum Pfeiler gibt es nur einen vernünftigen Weg, der gut verbogen von unten nicht einsehbar ist. Aufgrund der Aufnahmen vom Winter finden und erkunden wir den Korridor und einige Tage später machen wir uns um halb vier Uhr morgens auf den Weg. Gut 900 Höhenmeter hinauf auf einen Sattel, wieder 250 m hinunter zum Einstieg. Über den wilden Vorbau hinauf zum markanten Pfeiler. Endlich wird’s steil und der Fels schaut richtig gut aus! Die Kletterei in den ersten acht Seillängen ist einfach genial und erreicht den unteren achten Schwierigkeitsgrad. Dann kurze seilfreie Gratkletterei bis zum nächsten Aufschwung, nochmal zwei Seillängen im steilen Granit und wir erreichen den Gipfel des Pfeilers.

Nach einem langen Tag schmelzen wir Wasser und es gibt Energie: Speck, Käse und Riegel. Ohne Energie kein Schub! Gut gestärkt nehmen wir die letzten steilen Gipfeltürme in Angriff. Flucht nach vorne ist das Motto, denn ein Biwak ist nicht eingeplant! Warum auch? Im arktischen Sommer wird´s nicht dunkel. Wenige Seillängen auf einem genialen Grat mit wilden Türmen bringen uns zum Gipfel. Um 20 Uhr stehen alle überglücklich am höchsten Punkt. Eine unglaubliche Stimmung in der Abendsonne ist ein angemessener Lohn für die Anstrengung. Doch der Abstieg über den sehr langen Nordgrat steht uns noch bevor.

Nach ewigem Abklettern und Abseilen erreichen wir den Gletscher. Ein kurzes Labyrinth und noch eine Stunde hinunter zum Basecamp. Am Zelt etwas müde angekommen, höre ich dieses lästiges Geräusch aus meinem Zelt: der Wecker klingelt... Exakt 24 Stunden sind vergangen und eine gewaltige Bergfahrt ist vorüber. Alle sind gesund und überglücklich.

Details zur Tour

  • Berg: Ritterknecht 2020 m
  • Routenname: „Carpe Diem“ (1000 Hm)
  • Schwierigkeit: 8-/ED-

Text: Mario Walder