Hier sind noch einige Fakten zum Unfall in Australien aus meiner Sicht. Ich glaube, dass sie wichtig sind, um die gesamte Situation zu verstehen, die zu dem fatalen Unfall geführt hat.
Es soll dazu beitragen, dass alle Kletterer, inklusive meiner Wenigkeit davon lernen:
1. Es war Teil eines langen Projekts, das vor 12 Jahren begann. Wir eröffneten viele Touren in Kroatien, die von Wiederholern mit gut und schön eingestuft wurden. Ohne Ivica eröffnete ich in Grönland eine Technotour (frei geklettert von Engländern). Wir eröffneten Touren in Marocco, Mali, Chile und Sichuan. Alles alpine Touren, außer in Mali und Marocco, wo wir 10 mm Bolts verwendeten.
2. Nach Australien haben wir 8mm Raumer double expansion Bolts mitgenommen. Warum? Weil dier BH in Italien (und auch von vielen fremden Kletterern in Kroatien) laufend eingesetzt wird und wir diesen BH aufgrund seines geringen Gewichts und des geringen Akkuverbrauchs bei 8mm in langen Touren verwenden. Trotz dieser Vorteile ist der Bolt „State of the Art“, dh. stark genug. Wir dachten, dass Doppelexpansion gut sei. In älteren Katalogen (siehe Foto) wird der Haken für den Einsatzbereich Klettern, Bergsteigen, Höhlen und auch für nicht so guten Fels angepriesen. (Anm: Auf der Hompage von Raumer wurde inzwischen der Anwendungsbereich Sandstein und Klettern bei diesem Bohrhaken ausgeschlossen, siehe Foto).
3. Wir haben unsere geplante Tour den Locals gezeigt und sie haben uns noch andere Wände mit Neutourenpotential gezeigt. Ich möchte nicht behaupten, dass einer der Locals lügt, aber ich schwöre bei Gott, dass ich mich nicht daran erinnern kann, dass uns einer von ihnen klar wegen der Bolts gewarnt hat. (Ich habe einem von ihnen bereits ein Mail geschickt und versuche diesen Punkt zu klären). Es wird eines Tages geklärt werden...Ich kann jetzt nicht sagen, ob wir ein Kommunikationsproblem hatten.
4. Als wir in den Blue Moutains ankamen, regnete es sehr viel. Wir waren dennoch motiviert und wollten die Tour von unten erstbegehen. Aufgrund des schlechten Wetters bohrten wir jedoch einen Teil der Tour von oben fertig. Zwischen den beiden Einbohrsessions hatte es einige Tage konstant geregnet.
5. Da ich nicht ganz gesund und psychisch auf der Höhe (ich hatte nach einem Unfall immer noch angst um mein Bein) war, übernahm Ivica das gesamte Einbohren.
6. Wir verwendeten einen 8mm Bohrer.
7. Zum Putzen der Bohrlöcher: Wenn man von unten bohrt ist es manchmal schwierig, die Löcher zu putzen. OK, die von oben gebohrten waren im gleichen Zustand.
8. Als ich zum zweiten oder dritten Stand kam, konnte ich sehen, wie sich ein Bolt bewegte, dann fragte ich Ivica um die Bohrmaschine und bohrte einen dritten Haken am Stand dazu.
9. Als ich Ivica über die Qualität seiner Bohrarbeit fragte, meinte er, sie sei ok.
10. Als wir von oben bohrten sprach ich mit ihm über den Wandteil, wo er nach einigen Bohrversuchen einen Bolt immer wieder mit der Hand rauszog. Er meinte, dass er eine Stelle, mit besseren Fels suche.
11. Nach diesen Worten dachte ich, dass alles OK ist und wir kletterten die Tour mit diesen Bolts, die von außen auch gut aussahen, und seilten uns über diese Bohrhaken auch ab. Glaubt ihr, ich seile mich an Bolts ab, denen ich nicht vertraue? Ich habe zwei sechs und elf Jahre alte Söhne. Ich hatte auch keine Zeit und keine Veranlassung, die Bolts wie auf dem Video von Simon zu testen. Als ich den Film sah, war ich echt geschockt. Ich kann auch nicht sagen, warum Ivica nicht gemerkt hat, dass die Bolts so schlecht waren. Mr. Carter fragte mich, ob ich nicht gemerkt habe, dass die Bolts schlecht waren. Schwer zu beantworten, aber wie man auf den Fotos sehen kann, sehen sie von außen gut aus. Ich habe gesehen, dass Ivica die Löcher schneller gebohrt hat als im harten Kalk (Aus meiner Erfahrung mit weichem Fels kann ich sagen, dass Bolts trotz schnellen Bohrens gut sein können.) Aber ich kann nicht sagen, ob ihm bewußt war, dass er schlechte Bolts setzte, ich kann nur seinen Aussagen glauben. Es ist möglich, dass ein Jahr nach unserer Erstbegehung die Bolts durch den Regen in diesem weichen Fels schlechter wurden. (wie z.B. in Thailand).
12. Bei unseren ersten Statments nach dem Trip auf kroatischen Webseiten habe ich von schlechten Bolts (die man mit der Hand aus-reißen kann) gesprochen und schlechtem Fels in Teilen der Tour. Das ist korrekt, speziell wenn man unsere Bedingungen (viel Regen und Schlamm) bedenkt. Vielleicht war es etwas „euphorische Auswertung“, Fakt ist, dass wir beim Einbohren nur den einen oben genannten Bolt herausziehen konnten – und am Standplatz ein oder zwei fixieren oder einen dritten bohren mußten.
13. Bei meinen Infos, die ich Mr. Carter sandte, war ein Topo und die Info über Bohrhakengröße und –hersteller dabei. Ich erwähnte auch den schlechten Fels im unteren Teil der Tour. Aus heutiger Sicht war diese Info sicher nicht vollständig. Warum habe ich den weichen Fels nicht erwähnt? Weil die Locals das wissen. Warum habe ich sonst nichts erwähnt? Weil ich dachte, dass alles Ok sei. Mein Partner sagte es zu mir und aufgrund unserer gemeinsamen Touren hatte ich keinen Grund daran zu zweifeln. Ich befragte ihn auch vor einigen Tagen zu der gesamten Situation (und informierte ihn auch darüber, da er nicht so oft im Internet ist). Seine Antwort war: „Damals wußten wir das nicht“ (er meint als wir in Australien waren). Ich bin jetzt 47 und habe viele Unfälle gesehen und in Paklenica vielen geholfen. Bin ich wirklich so blöd, niemanden über die Gefahr zu informieren, wenn ich sie gekannt hätte?
14. Betreffend den Spekulationen über die Schwierigkeit der Crux (6b+): Ich war am unteren Stand und habe ihn nicht gesehen. Ich glaube ihm aber, dass er die Stelle geklettert ist und dass er die Stelle richtig bewertet hat.. Ich selber habe wegen des wieder einsetzenden Regens die Stelle aber nicht geklettert.
15. Zum Fels: Die Wand ist voll mit scharfen Kanten, was man schon weit vor der Unglücksstelle erkennen konnte. Auch die anderen Routen in dieser Wand haben gleichartigen Fels. Deshalb sind wir auch mit einem Doppelseil geklettert. Wir akzeptierten die schlechte Felsqualität, vielleicht haben wir aber eine höhere Tolleranzschwelle als reine Sportkletterer und schließlich ist Klettern ja auch „Abenteuer“.
Zusammenfassend ist es für mich eine Mischung von vielen kleinen Umständen. Die australischen Kletterer haben auch Fehler gemacht: Sie sind von der Tour abgekommen, in eine unbekannte Route hineingeklettert und haben damit auch ein Risiko übernommen, nur einem Bolt getraut (was nicht den Umstand entschuldigt, dass der Bolt schlecht war) und schließlich wurde das Seil von einer scharfen Kante durchgetrennt (wahrscheinlich wäre das mit jedem Seil passiert), was vielleicht auch der Grund war, warum das Leben des anderen Kletteres gerettet wurde. Ich weiß nicht, was die australischen Kletterer genau in der Route gemacht haben, bis es zum Unfall kam. Und mit alle den nun vorhandenen Faktem ist es jetzt schwer zu sagen, dass es ein anderes mögliches Szenario gibt.
Ich denke, alle Fakten liegen auf dem Tisch. Ich habe mich bei den Australischen Kletterern entschuldigt und bin sehr trauig über diesen Unfall. Ich weiß, dass manche Dinge schwierig zu verstehen sind und all das hat schwarzes Blut auf meine Karriere geschmiert, aber ich bin kein Killer, wie es auf kroatischen Internetseiten geschrieben wurde. Ich bin jederzeit gerne bereit, weiter aufzuklären!
Boris Cujic
Boris Cujic,47, Klettert seit 29 Jahren und hat mehr als 1500 lange Routen gemacht. Er hat viele Sporkletterrouten bis 8a+ und zwischen 80 und 100 lange Touren eröffnet (alpin und mit Bohrhaken bis 7c). Im Eis klettert er bis Routen bis M10 oder WI6 (auch hier einige Erstbegehungen). Er war ein paar Jahre in der Kroatischen Nationalmannschaft-Klettern und ist in Paklenica Climbing Supervisor und hat gemeinsam mit Ivica viele Routen saniert. Er ist Autor von den Kletterführern Paklenica und Croatia.
Ivica, 46, klettert auch seit über 25 Jahren und hat mit Boris Cujic viele Touren eröffnet. Er ist auch Paklenica Climbing Supervisor und war vor seiner Kletterkarriere Speleologe.