17 Dezember 2014

Black Flag

Die Quintessenz einer nahezu romantischen Beziehung zwischen einem Stück Fels und seines, allmählich in die Jahre kommenden Erstbegehers

Eine neue schwere Route in Kochel. Viele Tage Arbeit. So und so lang, so und so schwer, Schlüsselstelle nach so und so vielen Metern... .
Kennt man das nicht schon zur Genüge? Doch was macht sie so besonders?

Der Name, der Schwierigkeitsgrad? Vielleicht ist sie auch nur besonders für seinen Erschließer, denn die Route „Black Flag" könnte fast so etwas wie die Quintessenz einer nahezu romantischen Beziehung zwischen einem Stück Fels und seines, allmählich in die Jahre kommenden Erstbegehers bezeichnet werden.

Noch vor gut 6 Jahren hätte keiner gedacht, dass da überhaupt noch eine lohnende Neutour an der Wand entstehen könnte, geschweige denn eine 35m lange. Und es hätte auch keiner vermutet, dass der Toni seine geliebte Bouldermatte dauerhaft gegen ein Seil eintauschen würde, um da in 30m Höhe irgendwelche abstrakten Bewegungsabläufe einzustudieren. Dabei kommt es oft anders als man denkt...

2012 steht der Toni nämlich eigentlich schon vor dem Ende seiner Amtszeit als Hausmeister von Kochel und ist im Begriff, die einheimischen Hemisphären nach erfolgreicher 25-jähriger Verwaltung entgültig zu verlassen. Genau zu diesem Zeitpunkt kommt die „Black Flag" ins Spiel: Inspiriert durch die jungen Wilden drückt Toni plötzlich die Gewissheit, dass die, von ihm 20 Jahre zuvor gelösten Routen im zentralen Wandteil, schon viel zu lange auf eine Verlängerung nach oben warten mussten. Schnell sind die ersten Haken gesetzt - doch jeder Zug erscheint am Limit zu sein, denn nach einer fast 2 Jahre andauernden Boulderpause ist der Stier von Kochel doppelt gehandicapt, hat er jetzt nicht nur weniger Haare auf dem Kopf, sondern auch noch bedeutend weniger Schmalz in den Armen als zuvor.

Doch die, für Kochel einmalige Route löst bei dem Kletterrentner ungeahnte Kräfte frei. Denn der bedrohlich wirkende Überhang über der großen Buche im zentralen Wandteil erfordert das ganze Repertoire moderner Klettererkunst: vom voll ausgestreckten Kreuzhangzug, über rasant ausgeführte Dynos, wildes Gepatsche, bis hin zu feinfühligem Gepumpe findet sich hier alles. Ein pumpiger 8er Zustieg kombiniert einen komplexen 7c+ Boulder mit einem weiteren 8a-Passage und dem pumpigen 8a Ausstieg zu einem ultimativen Kletterfestival. Besser geht's nicht – zumindest nicht in Kochel.Nach vielen Monaten und endlosen Klettertagen ist es dann soweit: der Fels passt eines Tages nicht richtig auf, und schon wird die „schwarze Flagge" von Toni in einem dramatischen Showdown erobert. Ein Name wird auch schnell gefunden: Black Flag" – benannt nach einer bekannten Hardcore- Band.

Toni Lamprecht in Black Flag 8c+/9a
Toni Lamprecht in Black Flag 8c+/9a
Toni Lamprecht in Black Flag 8c+/9a
Toni Lamprecht in Black Flag 8c+/9a
Toni Lamprecht in Black Flag 8c+/9a
Toni Lamprecht in Black Flag 8c+/9a
Toni Lamprecht in Black Flag 8c+/9a

Route gut, Name gut, alles gut? Am Ende bleibt also nur noch die Frage übrig, ob die Route durch einen härteren Zustieg noch besser und schwerer werden würde. Die vollständige Kombination steht nämlich noch aus, und somit bleibt diese Frage ungeklärt. Es sei denn, dass der Toni auch diese Begehung macht. Oder auf sie verzichtet, in Anlehnung an den Namen, der seit jeher das Zeichen er Freibeuter ist. Und diese machen bekanntlich ja auch was sie wollen...

Eine besinnliche Adventszeit und ein frohe Weihnachten schon einmal...

Text: Toni Lamprecht

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