Mein letzter Patagonientripp war wirklich interessant, denn es war ausreichend gutes Wetter für je eine Neutour am Cerro Torre und Torre Standhardt.
Zwei Tage vor Silvester haben wir uns mit Stephen Koch (Jackson, WY-USA) in Calafate getroffen mit der Idee, einen ganzen Monat gemeinsam zu klettern. Nach drei Tagen kam dann auch endlich unser Gepäck an und wir fuhren weiter nach Chalten und schließlich ins Base Camp (Bridwell/Agostini) am Laguna Torre.
Teambuilding
Das Wetter war wie in Patagonien üblich unstabil. Unser erster Plan war die Mixedroute 'Marsigny – Parkin' und danach über die 'Ferrari Route' zum Gipfel des Cerro Torre. Wir nützten die Regentage und trugen unsere Ausrüstung zum Biwakplatz namens 'Norwegos' hinauf und warteten auf gutes Kletterwetter. Dort trafen wir auf Dean Potter (USA), der auch auf besseres Wetter wartete, um einen Basejump vom Cerro Torre zu machen. Als wir gemeinsam zum Basislager zurückgingen, beschloss Dean sich uns anzuschließen. Nach einigen Schlechtwettertagen gingen wir zum 'Norwegos' zurück, um etwas näher am Berg zu sein. Am Gletscher oben, bemerkten wir, dass die 'Marsigny-Route' keine guten Verhältnisse aufwies, um sicher und rasch zu klettern. So entschlossen wir uns, eine längere Aufstiegsroute zu wählen, die wir als zweite Option ins Auge gefasst haben.
Zwei schnelle Versuche am Cerro Torre
Am 17.1. starteten wir über eine Neue Route (max 6a) auf den El Mochito, die nach 250 m über Piola-Anker Route auf den Gipfel des El Moncho führt. Wir kletterten mit einem Einfachseil, wobei der Vorsteiger ohne Rucksack aber mit allen seinen sonstigen Sachen am Gurt unterwegs war. Die beiden Nachsteiger trugen die Rucksäcke, eine kleine Biwakausrüstung und das Essen. So waren wir schnell und seilten uns schon gegen Mittag auf der Nordseite ca. 150m ab und begannen das 'Col of Patience' hochzuklettern, wo wir mit Glück gerade einer großen Lawine entgingen. Wir kletterten vorsichtiger. Die Crux dieses Wandbereichs war eine steile Mixedlänge etwa 150 m unter dem 'Col of Patience', in der ich – das erste mal nach zehn Jahren – im Vorstieg stürzte. Es war eine extrem heikle Länge mit nassem Schnee und faulem Eis.
Wir erreichten das 'Col of Patience' bei starkem Wind und Regen, der uns auch zwang, eine Nacht in einer Eishöle zu verbringen. Es war kalt und nass und am nächsten Tag seilten wir im Sturm und Regen zum 'Norwegos' ab und trockneten am nächsten Tag bei Wind und Sonne unsere nassen Sachen.
Am 20.1. starteten wir wieder auf der gleichen Route und mit der selben Taktik. Vor dem Morgengrauen erreichten wir den El Mochito und um eins saßen wir schon auf dem 'Col of Patience' wo wir kurz pausierten, bevor wir in die 'Compressor Route' einstiegen. Schöne Kletterei und interessante Mixedlängen führten uns zu unserem Biwakplatz unter den 'Ice Towers', wo wir kurz nach Mitternacht eine schmale Eisbrücke unter der 'Headwall' für das Biwak präparierten.
Doch ein klassischer Abstieg
Beim ersten Morgenlicht kletterten wir über die berühmten Bohrhakenleitern und erreichten gegen ein Uhr den windigen Gipfel, wo wir mehr als eine Stunde fotographierten und einen guten Absprungplatz für Deans Basejump suchten. Dean entschied, dass es nicht steil genug für einen sicheren Basejump sei und begleitete uns auf dem 'klassischen' 10 Stunden Abstieg, der abseilend über die Compressor Route führte. Am Abend, gerade als das Wetter wieder schlechter wurde, erreichten wir 'Norwegos' und stiegen noch nach Chalten ab, wo wir einige Tage rasteten.
Torre Standhardt
Das Wetter war wieder unstabil, dennoch stieg ich mit Stephen am 29.1. wieder zum 'Norwegos' . Wir wollten wieder näher am Berg sein und mussten ohnehin unser Material noch runtertragen. Am ersten Tag gingen wir auf den Gletscher hoch und checkten den Torre Standhardt hinsichtlich neuer Routen aus. Unser Interesse fokusierte sich auf eine neue Linie am Fuße der Ostwand. Am nächsten morgen stiegen wir gleich links der Route 'Tomahawk' ein. Die Kletterei führte über steile und logische Rissspuren, bis wir nach der 8. Länge 15 m zu einem Kamin abseilen mussten, der mit interessanten Mixpassagen aufwartete. Am späten Nachmittag rann über die steilste Eispassage leider schon ein Wasserfall und das Eis war dünn und morsch. Am Ende des Kamins warteten wir bis drei Uhr früh auf kühlere Temperaturen, um sicher weiterklettern zu können. Im Morgennebel verpassten wir fasst den Übergang in den 'Exocet' Kamin, der uns direkt unter den riesigen Gipfeleispilz führte. Der 30 m hohe Pilz war eine echte Herausforderung, da die Schneebedingungen in der letzten Hälfte sehr schlecht waren. So brauchten wir am 1.2. dann auch fast eine Stunde für die letzten Meter.
Abstieg mit Pannen
Der Abstieg ist eine Geschichte für sich selbst. Wir waren unter echtem Zeitdruck, da unser Bus zum Heimflug am 3.2. schon ganz früh wegfuhr. Wir seilten ab und nach acht Längen verhängte sich unser Seil, so dass wir wieder 150m bis zur Rampe der 'Exocet' raufklettern mussten. Wir seilten dann immer 30 m durch das Couloir ab und erreichten um Mitternacht das Camp 'Norwegos'. Nach vier Stunden Schlaf stiegen wir mit schwerem Gepäck nach Chalten ab, wo dann die vesprochenen Transportmittel für den Rücktransport nach Calafate erst im letzten Moment auftauchten, so dass wir unseren Flieger noch ganz knapp erreichten.
Es war ein interessanter Trip mit jenen Elementen einer Expedition, die dir im Gedächtnis bleiben. Wir waren motiviert und bereit an fast allen möglichen Klettertagen zu klettern und machten intensive und neue Erfahrungen.
Text: Marko Prezelj
Routendaten:
Cerro Torre (3102 m) SO Grat / 20.- 21.0106
Marko Prezelj, Stephen Koch, Dean Potter 'The long run' – ca. 250m neue Linie am 'El Mochito' (max. 6a) + 500m auf der Route "Benitieres" (D. Anker & M. Piola 4. Jänner 1989, 500m, ED-, 6c / A1) + 500m auf neuer Linie zum 'Col of Patience' (davon eine Länge M7, Rest bis 45°) + 'Compressorroute' auf den Cerro Torre. Gesamt ca. 2100m , 6c / A1 / M7, 31 Std. Aufstieg u. 10 Std. Abstieg.
Cerro Standhardt (2730m) E Face - 31/01 - 01/02/06
Marko Prezelj, Stephen Koch Neutour 'Extreme Emotions' (550m, 6c / A1 / M6+) + oberer Teil von 'Exocet' (EB: 27. - 29. 1.1988 J. Bridwell, G. Smith u. J. Smith, ED+ / 5.9 und WI 6) zum Gipfel (ca. 500 m).
Marko Prezelj ist sicherlich einer der besten Slowenischen Bergsteiger. Zu seinen unzähligen großartigen Anstiegen zählen die 3. Beg. des North Twin gemeinsam mit Steve House (2004), eine Durchsteigung der Kangchenjunga Südwand (8476m) mit Andrej Stremfelj, wofür sie 1991 den Piolet d'Or erhielten und die 2. Beg. des 'Golden Pillars' am Spantik (2000).
Webtipp:
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