Der orange Punkt am Horizont wird immer kleiner und verschwindet bald hinter der nächsten Geländekuppe. Hier stehen wir nun, sechs hochmotivierte Bergsteiger und beobachten wie unser Transportvehikel, ein 50 Jahre alter Militärtruck GAZ-66, samt unserem Fahrer Sergej, endgültig unseren Augen entschwindet. Die letzten drei Tage verbrachten wir heftig durchgeschüttelt in der Personenkabine unseres sehr zweifelhaften Gefährts. Fasziniert von der einzigartigen Bergkulisse stehen wir in der totalen Einsamkeit am Eingang unseres auserkorenen Expeditonszieles, dem Dzhirnahgaktu Tal im westlichen Kokshal Too Gebirge an der chinesisch-kirgisischen Grenze. Neben uns liegen ungefähr 500 kg Ausrüstung und Verpflegung, welche uns hoffentlich unversehrt durch die nächsten 4 Wochen bringen. Die letzten 6 Monate waren für uns Expeditionsneulinge, abgesehen von zahlreichen Trainingseinheiten und Vorbereitungstouren, bestimmt von intensiven Diskussionen und Schätzungen über das benötigte Material. Informationen der 2 bisherigen Expeditionen ins Dzirnagakhtu Tal gaben uns nur einen ungefähren Eindruck dessen, was uns erwarten würde.
Einige schweißtreibende Tage später steht unser Basecamp 13 Kilometer weiter in 4300m Höhe auf einer Mittelmoräne des Dzhirnahgaktu-Gletschers. Ringsum ragen Berge in allen Formen und Schwierigkeitsgraden auf, nur überragt vom wuchtigen Gipfel des Kizil Asker im Nachbartal, an dessen Wänden sich bereits Ines Papert versucht hat. Unser Plan war es zuerst einige bestehende leichtere Linien zur Akklimatisation zu wiederholen, um uns danach an noch unbestiegenen Bergen und neuen Routen zu versuchen.
Nach der ‚Eingehtour‘ durch die Nordwand des Pony (4705m) schlägt das Wetter um und zwingt uns 4 Tage lang in unsere Zelte. Generell ist das Wetter sehr wechselhaft und teilweise gewittrig und zum Ende hin immer winterlicher. Dennoch gelingen uns 8 Gipfelerfolge, wobei jede Linie für sich eine Herausforderung darstellt. Besonders der erstmalige Durchstieg des Westgrates auf den Raven Peak, der mit rund 5400m auch unseren höchsten Gipfel darstellt, fordert mit seinem kombinierten Gelände und einer Tourendauer von über 13h unsere gesamte Kraft. Die erfolgreiche Erstbesteigung zweier Felsnadeln, die wir nach zwei guten Freunden Peak Mig und Mak (4715m und 4723m) nennen, stellt ein Highlight unseres Aufenthaltes dar. Am letztmöglichen Tourentag gelingt uns eine neue Route in der 600m hohen Nordwand des Night Butterfly (5044m). Mit nahezu vertikalen Teilabschnitten und einer konstanten Steilheit um die 70°, stellt diese Route Butterfly’s Flap sicherlich den bergsteigerischen Höhenpunkt unserer Expedition dar.
Selbstüberschätzung dürfen wir uns in dieser Abgeschiedenheit jedoch nicht erlauben und so müssen wir uns eingestehen, dass manche der geplanten Ziele, wie unter anderem die hunderte Meter hohe vertikale Westwand des Granit-Monolithen, außerhalb unserer Möglichkeiten liegen. Schlussendlich sind wir froh, dass uns bei äußerst schlechtem Wetter der Abstieg und die Beseitigung aller Spuren unseres Aufenthalts gelingt und nur bleibt was vor uns war: Felsen, Eis und Schnee.
Nicht möglich gewesen wäre diese Expedition ohne die wohlwollende Unterstützung unserer Sponsoren. Neben Bergsport-Firmen wie Gore-Tex, Carinthia, Stubai und Marmot und dem Energiedrink Steirisch Power gilt unser herzlicher Dank den steirische Unternehmen SiS Security Gebäudetechnik, Restaurant/Hotel Kohnhauser, der Volksbank Steiermark, der Marktgemeinde Lieboch sowie dem Vermessungsbüro Unterberger aus Bischofshofen.
Die Touren
SAC | UIAA | max. Neigung | i.D. Neigung | Wandhöhe | Höhendiff.(gesamt) | |
Pony | D- | / | 65 | 55 | 500 | 500 |
Uigur | AD | III | 50 | 45 | 350 | 650 |
Rock Horse | AD+ | / | 60 | 50 | 600 | 900 |
Ak-Baital/(Point Blindness) | AD- | II | 50 | 45 | 500 | 750 |
Ice Dragonfly | AD | II+ | 55 | 45 | 500 | 700 |
Pik Krakow | PD+ | I-II | 45 | 40 | 300 | 550 |
Raven Peak | D | III+ | 60 | 45 | 700 | 1100 |
Pik Mig / Pik Mak | AD- | III | 45 | 40 | 400 | 600 |
Night Butterfly | TD | / | 90 | 70 | 700 | 800 |
Das Team:
Klaus Unterberger (24; Geologiestudent)
Zu Beginn der alpinistischen Karriere, Fokus auf alpinen Sportkletterrouten, bis 8+ (UIAA). Nach der Ausbildung zum Bergretter auch Boulder- und Sportkletterproblemen bis Schwierigkeit Fb 7a+ bzw. 7a. In letzter Zeit immer öfter alpine Hochtouren im Sommer wie im Winter. Bisherigen Höhepunkte: Besteigungen in Südamerika (Huayna Potosí, 6088m, AD; Nevado Pisco, 5750m, AD-), Hochtourenklassiker wie Bianco-, Hinter- oder Stüdlgrat. Darüber hinaus weltweit Individualreisen mit bergsteigerischen Unternehmungen (z.B.: Marokko, Island, Malaysia und Indonesien)
Artur Grengg (25; Maschinenbaustudent)
In Jugendzeiten Teilnahme an Ironmanbewerben und 24 Stundenschwimmen. Erste hochalpine Erfahrungen mit 18 und seit Studienbeginn regelmäßige Teilnahmen an verschiedenen Kletter- und Bergsteigerkursen des Universitätssportinstituts Graz im Sommer und Winter. Des weiteren vielfach private Bergfahrten in Fels und Eis in den Alpen, unter anderem alpine Klassiker wie Bianco-Grat am Piz Bernina, Piz Palü Überschreitung und Hintergrat am Ortler. Sportklettererfahrung bis 7b+ (Rotpunkt) in Katalunien, Mehrseillängen und alpine Touren bis 6a+ in den Ostalpen, wie Hochschwab Südwand, Steinerweg am Hohen Dachstein oder die drei Zinnen in Südtirol. Darüber hinaus bereits Erfahrungen im Höhenbergsteigen in der Cordillera Blanca in Peru, unter anderem Vallunaraju (5686m, AD-) und Tocllaraju (6032m, D-) selbständig, im Alpinstil.
Nora Els (24; Geoökologiestudentin)
Seit der ersten Skitour auf den Petit Combin (Wallis) leidenschaftlich in Schnee, Fels und Eis unterwegs. Klettererfahrung bis in den 7.Grad (UIAA; z.B.: Fränkischen Schweiz). Mit 20 Solobesteigung des Stok Kangri (6125m) im Indischen Himalaya. Seitdem weitere Begehungen in den ecuadorianischen, peruanischen und bolivianischen Anden, im Hohen Atlas, auf Korsika, in Schweden, Island, Schottland, Malaysia, Indonesien und natürlich in Österreich, der Schweiz, Italien und Deutschland.
Cyrill Grengg (24; Geologiestudent)
Erste hochalpine Erfahrungen im Zuge diverser Kurse des Grazer Universitätssportinstitutes. Hochalpine Touren, wie Biancograt, Piz Palü (Überschreitung), Ortler-Hintergrat, Stüdlgrat, sowie Steinerweg. Höhenbergsteigen in Südamerika (Peru; Bolivien) zB. Vallunaraju (5780m, AD-), Pisco (5750m, AD-), Tocllaraju (6034, D-) und Huanya Potosi (6088m, AD).
István Halvax (26; Geologiestudent)
Höhenbergsteigerische Erfahrung in Bolivien und Peru. (Huayna Potosí 6088m, AD; Nevado Pisco, 5750m, AD-) Bergsteigen im Sommer und Winter am Hohen Dachstein, im Gesäuse, den Hohe Tauern und im Grazer Bergland. Verschiedenste Klettertouren bis in den 6. Schwierigkeitsgrad (UIAA).
Teresa Kogler (21; Geologiestudentin)
Alpin- und Plaisirklettern bis in den 7. Grad. Vielerlei Touren in den Alpen, Trekking-und Klettertouren in skandinavischen Gefilden. Skitouren (Urner Haute Route, Grand Paradiso, Monte Rosa), (Ski-)Hochtouren (Biancograt, Pitztal-Express), Klettern (Palü-Ostpfeiler, Stüdlgrat, Watzmann-Ostwand, Norwegen-Stetinden) und Paragleiten.
Tobias Träger (25; Slawistikstudent; verletzungsbedingter Expeditionsabbruch nach Akklimatisierung)
Zahlreiche Touren in den Dolomiten, Kroatien, dem Gesäuse, am Dachstein, an Österreichs Höchsten (Großglockner, Venediger, etc.) und noch einigen anderen Gebieten im In- und Ausland. Sportklettern (bis UIAA VIII), bevorzugt aber alpines Klettern im hakenfreien Gelände (bis UIAA V).
Gebietsinfos für Expeditionsbergsteigen in Kirgisien findet ihr in einem guten britischen Expeditionsbericht aus 2012.
Text: Artur Grengg, Cyrill Grengg, István Halvax, Klaus Unterberger, Tobias Träger