Paul Preuß – Alpinist, Philosoph, Visionär - hat die Geschichte des Alpinismus geprägt wie kaum ein anderer Bergsteiger. Mit seinem konsequenten Einsatz für den freien Kletterstil und einem bewußten Abwägen des Risikos, leistete er wesentlichen Anteil an der Entwicklung des Kletterns ohne Verwendung von Hilfsmitteln - aber auch an einem verantwortungsbewussten Umgang mit den Bergen. Sein Credo „Das Können ist des Dürfens Maß“ ist ein philosophischer Ansatz, der nicht nur für das Klettern, sondern auch für viele Bereiche des Lebens gilt.
Dieses Jahr geht der Preis an einen ganz großen Freikletterer, welcher Jahrzehnte lang die Freiklettergeschichte in den Dolomiten prägte. Wie sehr Heinz Mariacher das alpine Freiklettern beeinflusst hat, zeigte sich auch an der Gästeliste. Reinhold Messner leitete die Veranstaltung mit folgenden Worten ein: „Ich habe noch nie in letzter Zeit so viele gute Spitzenbergsteiger nebeneinander gesehen und begrüßt“. Alle waren sie gekommen, um der Ehrung eines ihrer Kollegen beizuwohnen. Hanns Schell, Oswald Ölz, Wolfgang Nairz, Hans und Beat Kammerlander, Alexander und Thomas Huber, Dani Arnold, Fabi Buhl, Joe Bachler, Walter Laserer um nur einige zu nennen. Auch viele Alpinjournalisten und namhafte Vertreter aus der Bergsportindustrie versammelten sich auf Einladung von Reinhold Messner auf Schloss Sigmundskron oberhalb von Bozen.
Heinz Mariacher ist der achte Alpinist, der nun zur Runde der mit dem Paul-Preuß-Preis ausgezeichneten Bergsteigern gehört. Reinhold Messer: „Ich habe die Szene damals immer verfolgt – und Heinz, ich kann sagen, ich habe dich mit Neid verfolgt. Keine gute Eigenschaft, aber als ich von dir hörte, hast du genau das gemacht, was uns als unmöglich erschien. Du hast sehr viele klassische Routen free (also ohne Hakenbenützung), einige sogar free solo (ohne Seil) geklettert. Du warst immer mit dem Vorsatz unterwegs, soweit als möglich alles frei - also ohne Haken - zu klettern. In dem Moment, als du deine „Modernen Zeiten“ hinter dir hattest, hatte ich keinen Neid mehr, sondern nur noch Bewunderung.“ Heinz Mariacher meinte über seine Ehrung bescheiden: „Preise hatten für mich nie eine besondere Bedeutung, aber es ist eine Ehre, mit Paul Preuß in Verbindung gebracht zu werden".
Seine Lebensgefährtin Luisa Iovane, die Heinz Mariacher auf sehr vielen Touren als Seilpartnerin begleitete, meinte an diesem Abend: „Als ich ihn kennengelernt habe, war ich jung und mutig und wollte sehr viel Klettern. Es war mir nicht bewusst, dass da doch immer sehr viel Risiko dabei war."
Die bisherigen Paul-Preuß-Preisträger:
2013: Reinhold Messner
2014: Hanspeter Eisendle
2015: Albert Precht (✝)
2016: Hansjörg Auer (✝)
2017: Alexander Huber
2018: Beat Kammerlander
2019: Bernd Arnold
2020: Heinz Mariacher
Heinz Mariacher, geboren am 4. Oktober 1955 in Wörgl, begann mit zwölf Jahren mit dem Klettern, durchstieg solo die Ostwand der Rofanspitze, lernte den Beruf des Vermessungstechnikers und machte die Bergführerausbildung.
In den 70er Jahren machte Heinz Mariacher durch schwierige alpine Solobegehungen auf sich aufmerksam. So kletterte er im Jahr 1974 die Nordwand der Westlichen Zinne (Cassin; VI/A0) und die Nordwand an der Großen Zinne (Comici; VII) und die Vinatzer (VI+) an der Marmolada-Südwand im Alleingang und größtenteils frei. 1977 eröffnete Heinz Mariacher die spartanisch abgesicherte Route Charlie Chaplin (VI+) an der Nordwand der Lalidererspitze im Karwendel. Im Jahr 1979 gelang Mariacher die Route Vogelwild (VII-), 1980 Abrakadabra (VII) und 1982 Moderne Zeiten (VII/VII+) an der Südwand der Marmolada. 1978 gelang ihm die zweite Begehung des Mittelpfeilers am Heiligkreuzkofel, für Heinz ein wichtiges Symbol des alpinen Freikletterns, war doch diese Route von Reinhold Messner - ehemals noch mit Hakenbenützung - erstbegangen worden.
In der glattesten, kompaktesten Zone der Marmolada Südwand wollte er natürlich auch hinauf, ohne Bohrhaken und technische Hilfsmittel. Ins Auge gefasst hat er den „Weg durch den Fisch“, welcher 1981 von den Tschechen Igor Koller und Jindrich Šustr in teils hakentechnischer Kletterei erstbegangen wurde. Im Jahr 1987 setzte Heinz Mariacher mit der erste Rotpunktbegehung vom "Weg durch den Fisch" (VIII+/IX-) aber einen unvergesslichen Markstein im Freiklettern. Besonders diese Tour festigte seinen Ruf als Vordenker des modernen alpinen Sportkletterns, da er bei der Absicherung dieser langen, schwierigen und gefährlichen Route auf Bohrhaken völlig verzichtete. Jahre später war es Hansjörg Auer, welcher mit einer Solo-Begehung erneut am "Weg durch den Fisch" ein alpin geschichtliches Ausrufezeichen setzte.
In den 80er Jahren widmete sich Heinz Mariacher auch dem modernen Sportklettern, entwickelte den nach ihm benannten Reibungskletterschuh mit der Firma LaSportiva. Auch trug er einen wesentlichen Beitrag zur Erschließung der Klettergärten rund um Arco bei. 1986 eröffnete er mit Kendo (8a+) im Val San Nicolò die wohl erste Kletterroute Italiens im 10ten Schwierigkeitsgrad. Die schwierigsten von ihm erstbegangenen Routen erreichen den Schwierigkeitsgrad 8b+.
Im alpinen Bereich gelangen ihm 1986 noch die Erstbegehung von "Tempi Modernissimi" (IX-/IX) ebenfalls an der Marmolada.
Heinz Mariacher lebt heute mit seiner Lebensgefährtin, der ebenfalls erfolgreichen Kletterin Luisa Iovane, am Karerpass in Südtirol und arbeitet als Produktmanager für ein großes Sportartikelunternehmen.
Webtipp: Heinz Mariacher
Video: Heinz Mariacher in seiner Route "Basic Instinct" (8b/c) im Val San Nicolo (Dolomiten)