Ende Juli starteten wir, Johannes Steidl und Matthias Stricker, für einen dreiwöchigen Kletter-Trip nach Kirgistan, genauer gesagt ins Ak-Su Tal. Das Ak-Su Valley (Karavschin Region) liegt im Südwesten von Kirgistan, nahe an der Grenze zu Tadschikistan. Von super Rissklettertouren im guten Granit mit kurzen, schneefreien Zustiegen zu den Wänden war in einigen Berichten zu lesen, dies klang vielversprechend und entsprach unseren Vorstellungen von einem Klettertrip.
Um in den drei Wochen so viel Zeit wie möglich fürs Klettern zu haben, ohne vor Ort noch viel Aufwand aufgrund organisatorischer Dinge wie Einkäufe und Materialtransporte zu haben, buchten wir vorab über eine lokale Organisation unsere Reise. Wir waren mit „Tien-Shan Travel“ unterwegs und können diese nur weiterempfehlen.
Zum Basislager im im Talschluss des Ak-Su
Pünktlich morgens um 8.00 Uhr wurden wir vom Flughafen in Osh abgeholt. Weiter ging es mit dem Jeep für ca. 6 Stunden über Batken bis zum Sariyas Pass (optional könnte auch gleich bis Batken geflogen werden, dann würde man sich ca. 4 Stunden Autofahrt ersparen). Dort ging es am nächsten Tag mit Eseln und Pferden weiter in Richtung Basislager. Aus den geplanten 1,5 Tagen Anreise wurden schlussendlich doch 3 volle Tage, da viele Wegstücke durch den stark wasserführenden Fluss immer wieder weggerissen worden waren. Ein harter Job für Mensch und Tier und auch wir waren immer wieder überrascht, wie ausdauernd und trittsicher die Esel und Pferde manche Passagen meisterten.
Das Basislager selbst liegt auf ca. 3000m auf einer kleinen Wiese im Talschluss des Ak-Su. Von dort aus können die meisten Touren und Zustiege gut eingesehen werden. Die potentiellen Klettergipfel liegen zwischen 3500m und 4800m, alle gletscherfrei.
In den ersten drei Tagen kletterten wir die „Italien-Route“ an der Pamir Pyramide (3700m, 13SL, 6b), die „French Route“ am Little Russian Tower (3700m, 7SL, 6b) und die ersten 7 SL von „Atlantide“ an der Central Pyramid aka. Ourtountoubek (7a). Generell ist bei diesen drei gekletterten Touren an den Abseilständen von zwei guten Bohrhaken, über Normalhaken und Köpfelschlingen bis zu einem rostigen Bohrhaken alles vertreten. Die „Atlantide“ ist bis nach der 7 SL mit Abseilständen eingerichtet, danach muss eventuell über den Grat ausgestiegen werden. Guter Fels und abwechslungsreiche Kletterei waren eine super Einstimmung auf die kommenden Routen.
Perestroika-Crack (23 SL, 7a+) - einer der bekanntesten Route im Tal
Nach einem Pausetag starteten wir am nächsten Tag zum Perestroika-Crack (23 SL, 7a+). Dies ist wohl die bekannteste Tour im Tal und führt auf den Pik Slesova (4240m, auch Russian Tower genannt).
Wir starteten am Morgen recht gemütlich zum Einstieg. Jojo hatte eine nicht ganz so feine Nacht, da das vorangegangene Abendessen lieber schnell wieder ins Freie wollte, aber ein kurzer Zustieg kann gesundheitliche Wunder bewirken und nach ca. einer Stunde standen wir am Einstieg. Nach vier schönen Seillängen erreicht man den ersten möglichen Biwak-Platz, eine großes Felsband, das zugleich auch leicht über den Gipfel der Pamir Pyramid zu erreichen ist. Die folgenden Längen konnten wir bereits nach der Italien Route vom Gipfel aus begutachten und faszinierten uns bereits am ersten Tag. Wir kletterten im T-Shirt weiter über perfekte Handrisse und Verschneidungen zum zweiten Biwak-Platz auf einem zwei Meter breiten Ledge in ca. der Wandmitte. Gut ausgerüstet mit Kocher und Schlafsäcken konnten wir eine angenehme Nacht auf ca. 3800m verbringen. Am nächsten Morgen ging es mit super Granitkletterei weiter bis zum Gipfel. Auch hier sind die Abseilstände gut eingerichtet und so konnten wir am frühen Abend schon wieder das Abendessen im Basislager genießen.
Gegenüber dem Pik Slesova stehen noch drei weitere große Granitgipfel, die ebenfalls lange Anstiege in gutem Granit bieten. Da die Topos meistens in Russisch- Kyrillisch geschrieben waren, übersetzten uns ein paar freundliche Slowenen die Route „Potemkina“ auf den 4507m hohen „1000 Years of Russian Christianity“. Die Route folgt zuerst einer langen Verschneidung bis zu einem Grat, welcher dann in den Gipfelpfeiler mündet. Insgesamt umfasst diese Route ca. 36 SL (bis 7a).
Früh am Morgen kann etwas oberhalb des Base Camps der Bach gut gequert werden (je später am Tag, desto mehr Wasser führt der Fluss) und nach gut einer Stunde standen wir am Einstieg. Nach ein paar grasigen und verblockten Längen erreichten wir die lange Verschneidung. Meist nie schwerer als 6b geht es einige perfekte 60m-Längen bis zum Grat. An einem kleinen Ledge ca. 50 m unterhalb des Grates (kurz abseilen) verbrachten wir wieder eine entspannte Nacht und wurden in der Früh von der Morgensonne geweckt. Wieder am Grat wurden die Schlafsäcke deponiert, um die restlichen Längen ohne Gepäck weiter zu klettern. Bis zum Gipfel war von Verschneidungen und Handrissen über Wandkletterei und einem Offwidth wieder alles dabei. Am frühen Nachmittag erreichten wir top motiviert den Gipfel, wenn auch schon etwas durstig und müde, da sich die Trinkflasche schon recht weit unten im Offwidth verabschiedet hatte. Das Abseilen verlief ohne gröbere Probleme über den zuvor gekletterten Grat bis zu den Rucksäcken und dann südostseitig über Platten in einen Gully, welcher wieder zum Einstieg führt. Wir haben einige Abseilstellen mit Normalhaken und Schlingen verbessert, da generell sehr wenig fixes Material in der Route und der Abseilpiste drinnen war.
Erstbegehung „Makmasali“ führt am Nordwestpfeiler des Little Russian Tower
Nach dieser Tour hatten wir noch drei Tage bis zur Abreise. Diese nutzten wir, um am Little Russian Tower (3700m) noch eine kleine Erstbegehung zu klettern. Die Route „Makmasali“ führt am Nordwestpfeiler entlang und nach einer 40m-Länge über Verschneidungen und Schuppen gelangt man über ein Dach in ein Risssystem. Die weiteren Längen führen über abwechslungsreiche Wand- und Verschneidungskletterei in 7 SL (bis 7b) auf den Gipfel. Die Stände wurden mit 8mm Bohrhaken und/oder Schlaghaken versehen und in der 4. Seillänge befinden sich 2 weitere Bohrhaken als Zwischenhaken. Über vier neu eingerichtete Abseilstände kann man vom Gipfel schnell über die Nordseite abseilen. Bei dieser Tour steht eine durchgehende Rotpunktbegehung noch aus, wir konnten beim Erstbegehen alles frei klettern. Bis auf diese Tour konnten wir vorher alle Seillängen der gekletterten Routen im Ak-Su Tal Onsight klettern.
Somit konnten wir diesen Kletterurlaub perfekt abschließen und können dieses Gebiet für motivierte Granitkletterer in alpinem Gelände nur weiterempfehlen. Generell ist zu sagen, dass bei den meisten Routen die Absicherung sehr clean ist, die Stände sind teils schon mit (eher alten) Bohrhaken und Normalhaken eingerichtet, oft auch komplett selbst zu legen. Im gesamten Gebiet benutzten wir nur Zustiegsschuhe, da wir keinen Kontakt mit Schnee oder Eis hatten. Weiters hatten wir ein Satellitentelefon von Thuraya dabei, von welchem aus SMS und Anrufe nach Europa gut funktionierten.
Text und Fotos:Johannes Steidl und Matthias Stricker
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