Die beiden Tiroler verließen Talkeetna am 19. Mai 2013 nach dem letzten großen Wintersturm, der sogar in Anchorage nochmal für ein paar Zentimeter Neuschnee sorgte und landeten in einer tief verschneiten Ruth Gorge. Die Locals hatten von einer guten Eissaison gesprochen und so war für Alex und Gerry klar, dass sie in den ersten Tagen wohl Ausschau nach guten Eislinien halten sollten.
Unmittelbar nach der Ankunft sorgte ein Hochdruckkeil für außergewöhnlich gutes Wetter und damit verbundene hohe Temperaturen. Wettermäßig war alles wunderbar, doch die Berge begannen bald ihr Winterkleid abzuschütteln und taten dies teilweise in Respekt einflößendem Ausmaß.
„Nicht lange herum fackeln, sondern Gear zusammenpacken und ausrücken, wenn wir in Alaska schon so gutes Wetter haben!“, waren die Gedanken der Beiden. Alleine auf dem Gletscher und somit ohne jegliche Information über die Bedingungen, erlebten sie eine harte erste Woche, mit einigen Rückschlägen und Versuchen, die relativ abrupt von Eisschlag oder Lawinen beendet wurden.
Riesiges System aus Rissen und Verschneidungen am Gargoyle
„Der Winter ist definitiv vorbei und der Sommer noch lange nicht da!“, darüber waren sich die Tiroler Alpinisten einig. Das perfekte Wetter hielt jedoch an und sie ließen sich nicht unterkriegen. Die Ideen konnten zwar langsam auf einer halben Hand abgezählt werden, doch eine neue Linie, ein riesiges System aus Rissen und Verschneidungen am Gargoyle sah noch viel versprechend aus und nach den anfänglichen Rückschlägen kehrte das Glück endlich zurück. Am 29. Mai 2013 erreichten die Beiden den Gipfel des Gargoyle nach zwei Klettertagen und einem Sitzbiwak in der Wand, überglücklich diese neue Linie geklettert zu sein. Einen Rasttag später standen sie erneut am Fuße des Gargoyle um im unteren Teil drei verbleibende Seillängen zu befreien. Auf dem Topo blieb so nur mehr eine Aid-Länge übrig, die auf Grund der würzigen Kombination aus brüchigem und splittrigem Fels, überhängendem Schnee und fließendem Wasser, gespickt mit schlechter Absicherung den Grad A3 bekam. „Definitiv eine Psycho-Partie, der Kampf in diesen 30m und wahrscheinlich nicht viel mehr Vergnügen bei trockenem Fels!“ darüber waren sich Alex und Gerry einig.
Der Name der Route war schnell gefunden, da das „Biest“ eben beschrieben wurde und die Kletterer die „Schöne“ ein paar Seillängen weiter unten in Form einer 40m Trad-Länge aus Fingerrissen, Dächern, Schuppen, usw. an perfektem Fels fanden. Genial zu klettern und eine Rarität in der Ruth Gorge, wie ihnen im Laufe ihres Aufenthaltes immer klarer wurde. Die beiden brauchten einen Bohrhaken in der Aid-Länge und ließen eine Handvoll Haken in der Wand zurück.
Obwohl es felsmäßig sicher bessere Plätze gibt, haben österreichische Alpinisten von Beginn an eine wichtige Rolle in der Klettergeschichte der Ruth Gorge gespielt. Speziell Andi Orgler und seine Kletterpartner sollten an dieser Stelle nochmal erwähnt werden, haben sie doch an sämtlichen namhaften Bergen in der Umgebung des Ruth Glaciers große Linien, wie beispielsweise „The Winebottle“ am Mt. Dickey oder „The Pearl“ am Mt. Bradley eröffnet.
Bei Schlechtwetter Socializing mit den Nachbarn
Nach zwei Wochen Hochdruck wurde das unglaubliche Wetter“fenster“ ausnahmsweise von ein paar schlechten Tagen unterbrochen. Zeltzeit also und Zeit für ein bisschen Socializing mit den Nachbarn Freddie Wilkinson, Renan Ozturk und Alex Honnold. Wie sich herausstellte wussten die ersten beiden bestens über das Gebiet Bescheid, da sie in den letzten Jahren regelmäßig in der Ruth Gorge zu Besuch waren. „Zum Fels klettern ist es immer noch viel zu früh und die Eissaison ist lange vorbei!“, das war Alex und Gerry klar und so blieb nur mehr ein Pfeiler oder Grat übrig.
Die amerikanischen Kletterer erzählten von ihren vergangen Abenteuern in der Ruth Gorge und für Alex und Gerry war sofort klar: „Die Tooth Traverse, das wär’s!“. Ein ca. 8km langer Grat, der sechs beeindruckende Gipfel hoch über dem Ruth Glacier verbindet und nach einigen Versuchen erst letztes Jahr von Freddie und Renan das erste Mal vollständig geklettert wurde.
Nach 83 Stunden zurück im Basislager
Der Hochdruck kehrte zurück und Gerry und Alex starteten am 6. Juni 2013 um 22:00 Uhr Richtung „Sugar Tooth“ und erreichten diesen über den Südgrat am nächsten Tag gegen Mittag. Nach einer kurzen Rast folgten zwei Abseiler und die Route „Talkeetna Standard“ von Jeff Hollenbaugh und Steve House Richtung Eye Tooth. Nach einem 24h Klettertag ab dem Basecamp waren die Beiden froh, ihr erstes Biwak bereits knapp unter dem Gipfel des Eye Tooth einrichten zu können. Von dort kletterten sie am nächsten Tag in ca. 12h über den teilweise stark überwechteten Grat auf den „Bear Tooth“ wo die zweite Biwaknacht folgte. Der dritte Tag sollte wieder ein langer werden und führte nach 6 Abseilern über die „Russian Route“ vom Bear Tooth unter die Südwand des „Mooses Tooth“, welchen die Beiden über die Route „Swamp Donkey“ nach ca. 14 Stunden um 22:00 Uhr erreichten. Der Tag war dort noch nicht zu Ende, sondern es wartete ein langer Abstieg über die Westridge. Auf Grund von großen Wechten und steilen Schneeflanken im dämmrigen Licht der Nacht, entpuppte sich dieser Grat als deutlich schwieriger als ursprünglich erwartet und erforderte noch einmal volle Konzentration im Graupelschauer.
Überglücklich darüber, die „Tooth Traverse“ bereits ein Jahr nach der Erstbegehung als erste wiederholt zu haben, erreichten die beiden ihr Basislager nach 83h am 10. Juni 2013 um 9:00 Uhr in der Früh.
„Ein spezieller Dank gilt Freddie und Renan für die Inspiration die Tooth Traverse zu probieren und die gute Info zur Route!“
Webtipps:
Sponsor: Salewa und Adidas-Eyewear